Lediglich drei Tage durften die Mannschaften dieses Jahr ihre neuen Fahrzeuge bei Testfahrten ausprobieren. Trotz der kurzen Vorbereitung haben wir aber einige wertvolle Anhaltspunkte bekommen, wie sich das Kräfteverhältnis so darstellt. Im heutigen Beitrag möchten wir euch kurz unsere jeweilige Vorhersage präsentieren, wie die Konstrukteurswertung am Saisonende aussehen könnte. Hochgradig Subjektiv natürlich, aber wir begründen unsere Entscheidungen auch, damit sie nachvollziehbar wird. Steigen wir doch direkt ein!
Es fehlt Speed und Konstanz. Zudem sitzt mit Logan Sergeant ein Rookie im Auto. Das wird stellenweise sicher dazu führen, dass das Team nicht immer das Maximum aus jedem Wochenende holen kann. Immerhin spulte das Team problemlos viele Runden ab und sammelte wertvolle Daten.
Teamchef Steiner hat bei Vielen Sympathien verloren, nachdem er Micks Vertrag auslaufen ließ und dafür Hulk zurück ins Feld holte. Mit den beiden Routiniers will das Team diese Saison (auch medial) für Ruhe sorgen und erhofft sich seriöse Auftritte und wohl die Aussicht auf einen Platz im Mittelfeld. Das kann funktionieren, aber Alpha Tauri sollte das bessere Auto haben und so routiniert das Fahrergespann sein mag, so durchschnittlich ist es auch. Für mich der Top-Kandidat für das Schlusslicht im Feld.
Der Alpha Tauri sieht erneut schwach aus. Wie im Vorjahr wirkt das Paket nicht ausgewogen. Vor allem in langsamen Ecken hapert es scheinbar, da wird aber die meiste Rundenzeit gewonnen oder verloren. Yuki Tsunoda ist auch nach zwei Jahren im Cockpit eine Wundertüte, im zweiten Auto sitzt mit Nyck De Vries zudem auch ein Rookie. Wenngleich mit mehr Erfahrung als Sergeant im Williams. Vereinzelte Punkte sollten drin sein, das wird aber nicht reichen um sich signifikant vom Tabellenende abzusetzen.
Ich wünsche mir Tsunoda noch lange im Startfeld der Formel 1, weil ich ihn einfach als Charakter mag. Ein bisschen HB-Männchen, aber irgendwie dennoch sympathisch. Fahrerisch muss er dieses Jahr zeigen, dass er weiterhin sein Cockpit behaupten kann. De Vries ist für mich eine noch größere Wundertüte. Gute Anlagen hat er, aber eine Rookie-Saison in der F1 ist eben etwas anderes als ein einzelnes Wochenende in Monza. Ich sehe das Team insgesamt noch vor Haas, aber hinter Williams und damit ebenfalls auf Platz 9.
Mit dem vermeintlich stärksten Motor im Heck und einem soliden Chassis sieht die Basis bei Haas ganz okay aus. Zwei Piloten mit viel Erfahrung sollten dafür Sorgen, dass das Team die meisten Gelegenheiten nutzen kann, die sich bieten. Die Highlights, die es im Vorjahr aber vereinzelt gab, werden aber schwer zu reproduzieren sein.
Williams mag das schwächste Gesamtpaket haben (was noch zu beweisen wäre), aber sicher nicht die schwächste Fahrerpaarung. Das liegt für mich vor allem an Alex Albon, der aus dem Auto in der Vergangenheit teils Erstaunliches herausholen konnte. Sergeant darf und wird Fehler machen und wird ebenso oft über- wie underperformen. Für mich liegt Williams aber noch vor Haas und Alpha Tauri und damit auf Platz 8.
Zhou Guanyu sorgte am zweiten Testtag für die Bestzeit. Das spiegelt sicher nicht exakt wider, wo das Team von der Leistungsfähigkeit steht. Allerdings waren die Alfas sehr konstant und weitgehend unauffällig unterwegs. Wenn die Zuverlässigkeit stimmt und das Entwicklungstempo im Lauf der Saison hoch bleibt, dann könnte Alfa Romeo vielleicht sogar mit McLaren um den sechsten Platz in der WM kämpfen.
Ocon und Gasly im Alpine klingt nach der Traumpaarung aus Sicht der französischen Fans. Gute Fahrer, keine Frage, aber mein Gefühl sagt mir, dass Alpine auf P7 zurückfällt. McLaren wird P6 ergattern, weil sie Norris haben.
Trübe Stimmung bei der Präsentation, Probleme beim Test und die ehrliche Einschätzung, dass das Team die eigenen Vorgaben über den Winter nicht erreicht hat, malen ein düsteres Bild für die McLaren-Saison 2023. Zudem der Abgang von Andreas Seidl, Gerüchte um James Key (der nicht bei der Vorstellung des Wagens dabei war). Ein viel gelobter Rookie im Cockpit, der seine Klasse aber erst beweisen muss und unter großem Druck steht. Fragezeichen über der Motivation von Starpilot Lando Norris. Die Baustellen bei McLaren sind zahlreich und ich sehe das Team daher mit Glück am Ende des Mittelfeldes. Wenn es ganz blöd läuft, könnten Alfa Romeo und sogar Haas vorbeirutschen.
Was werde ich das Dreamteam Daniel Ricciardo und Lando Norris vermissen! Zumindest was den Unterhaltungsfaktor auf dem YouTube-Kanal eines Formel-1-Teams anging, waren sie wohl das beste Gespann im Feld. Gerne würde ich McLaren weiter vorne und Lando um Siege fahren sehen. Ich glaube es aber nicht und vermute, dass es eine weitere enttäuschende Saison wird. P6.
Drei unauffällige Testtage für das französische Nationalteam lassen keine eindeutigen Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit zu. Das Auto scheint keine akuten Schwächen zu haben, fiel aber auch nicht mit übermäßig viel Speed auf. Man wollte das eigene Programm abspulen, ohne zu sehr auf die Konkurrenz oder Bestzeiten zu achten, hieß es. Eine potentiell starke, aber auch nicht gerade konfliktfreie Fahrerpaarung passt da gut ins Bild: es kann gut ausgehen und sich als Trumpf erweisen, kann aber auch in die Hose gehen. Schwer einzuschätzen. Die Basis sollte aber solide genug sein um Rang 5 einzufahren. Vielleicht auch etwas mehr.
Zhou Guanyu wird nicht um Pole Positions fahren (trotz der Bestzeit am zweiten Tag der Testfahrten), doch ich traue Alfa Romeo den Sprung vor McLaren und Alpine zu. Eventuell sogar vor Aston Martin. Die Fahrerpaarung ist stark. Mein Tipp: Platz 5 vor McLaren und Alpine.
Noch vor Beginn der Testfahrten habe ich behauptet, dass Alonso 2023 mehrfach auf dem Podium landen wird. War einfach so ein Bauchgefühl. Die sehr gute Frühform beim Test hat meinen Eindruck dann bestätigt. Das Auto scheint schnell zu sein. Wenn Zuverlässigkeit, Entwicklungstempo und Strategie passen, dann könnte Aston Martin dieses Jahr der Durchbruch gelingen. Experten mutmaßen schon, dass die Grünen sogar mit Mercedes und Ferrari kämpfen können. Mal sehen. Einige Fragezeichen stehen über Lance Stroll, der den Test verletzungsbedingt verpasst hat. Ich fürchte, er wird auch das ein oder andere Rennen zu Beginn nicht bestreiten können und Alonso wird das Team komplett auf seine Seite ziehen. Das könnte für Spannungen sorgen. Aber solange die Ergebnisse passen und die Euphorie aufrecht erhalten bleibt,sollte Aston Martin eine sehr gute Saison vor sich haben.
Aston Martin ist der Durchbruch 2023 zuzutrauen. Ich würde mich zwar auch nicht wundern, wenn sich der aktuelle Bolide als Gurke vor dem Herrn erweisen sollte, aber irgendwann müssen sich die immensen Investitionen ja auszahlen. Mit Alonso haben sie einen der fähigsten Racer in ihren Reihen und auch Stroll hat beweisen, dass er nicht einfach nur Papas Liebling ist, sondern sich mit beispielsweise Vettel und Alonso (letztes Jahr noch im Alpine) spannende Duelle liefern konnte. Meine Voraussage: Sollte das neue Auto einen mittelgroßen Sprung nach vorne machen, erledigt Alonso den Rest. Die Konkurrenz (abgesehen von Red Bull, Ferrari und Mercedes) sehe ich zudem nicht automatisch so stark, als das selbst eine moderate Fortentwicklung für P4 reichen könnte.
Die drei Testtage verliefen ziemlich durchwachsen für Mercedes. Tag eins sah gut aus, am zweiten Tag kamen dann Probleme mit Speed und Zuverlässigkeit auf. Tag drei war dann wieder etwas besser. Zudem schwingen latent Durchhalteparolen mit. Seit der Präsentation wurde das Wort “eventually” laufend verwendet, wenn es darum ging die eigene Leistungsfähigkeit zu beurteilen. Man würde also “früher oder später” bei der Musik sein. Klingt so als ginge Mercedes mit Defiziten in die Saison, die durch ein aggressives Entwicklungsprogramm behoben werden sollen. Mal sehen ob das gelingt.
Ferrari wird auf P3 zurückfallen und das trotz Frederic Vasseur. Die Fahrerpaarung ist aus meiner Sicht mit der von Mercedes die stärkste im Feld. Dennoch braucht es, glaube ich, noch eine Saison bevor das Team als Ganzes wieder so funktioniert, dass es Red Bull angreifen kann. Zudem habe ich die Befürchtung, dass der Ferrari 2023 weiter zurückfallen wird und nicht mehr das Biest vom Anfang der vergangenen Saison ist.
Die Roten bleiben ihrem Fahrzeugkonzept grundsätzlich treu und das scheint sich auszuzahlen. Schnell waren die Ferrari bei den Testfahrten 2023 immer, egal welcher Pilot am Steuer saß. Einzig beim Reifenmanagement scheint es noch Optimierungspotential zu geben. Aber natürlich deckt kein Team seine Karten vollständig auf, es ist also noch Luft nach oben. Stand jetzt zeichnet sich aber wieder ein Duell mit Red Bull ab.
Ich mache es kurz: Die Tests geben Hinweise auf vieles: Konstanz des Speeds, Balance der Autos, Zuverlässigkeit. Aber eines zeigen sie nicht, wenn es die Teams nicht zeigen wollen: die maximale Performance unter Rennbedingungen. Auch wenn meine latente Befürchtung ist, dass die Saison 2023 doch nicht so super laufen könnte, so hoffe ich als Hamilton-Fan auf eine neue Rakete. Sollte man auf dem Niveau der letzten drei Rennen von 2022 liegen (in denen man ziemlich nahe an Ferrari und Red Bull war, teils sogar schneller), dann fahren Russel und Hamilton um den Titel. Ich wünsche mir Lewis als Weltmeister, aber mein Tipp ist dennoch P2. (Ooops, es wurde jetzt doch nicht so kurz… :D)
Auch das Weltmeisterteam hält am bewährten Konzept vom Vorjahr fest. Konsequent weiterentwickelt, präsentiert sich der RB19 schnell und zuverlässig. Egal auf welchem Reifen und zu welcher Tageszeit: Schnelle Runden gelangen zumindest Max Verstappen immer scheinbar mühelos. Sergio Perez scheint noch nicht ganz das Optimum aus dem Paket holen zu können, aber das ist sicher nur eine Frage der Zeit. Red Bull geht auf jeden Fall als Favorit in die Saison.
Langweilige Meinung, aber ich stimme zu. Max gilt es als Fahrer zu schlagen und Red Bull als Team, wenn man sich 2023 die Krone aufsetzen will. Hier greift einfach alles ineinander: Zuverlässigkeit, Strategie, Disziplin, fahrerisches Können, und so weiter… ABER: Wenn Mercedes, Ferrari oder ein Überraschungsteam Max fordern und Perez nicht mehr den Teamplayer abgibt, den er die letzten Saison gemimt hat, dann wird es richtig schwierig für den Niederländer. Es hieß vergangene Saison von vielen Seiten, Max sei gereift. Das sehe ich anders. Er wurde nicht gefordert und ein Verstappen macht ohne Druck keine Fehler. Sollte er in einen WM-Kampf mit mehr als einem Konkurrenten – im Extremfall mit seinem Teamkollegen – verwickelt werden, sehe ich ihn nicht als Weltmeister 2023.
Nochmals in der Zusammenfassung tippen wir die Konstrukteurs-Wertung am Ende der Saison 2023 folgendermaßen:
Dave
P10 Williams
P9 Alpha Tauri
P8 Haas
P7 Alfa Romeo
P6 McLaren
P5 Alpine
P4 Aston Martin
P3 Mercedes
P2 Ferrari
P1 Red Bull
Sebastian
P10 Haas
P9 Alpha Tauri
P8 Williams
P7 Alpine
P6 McLaren
P5 Alfa Romeo
P4 Aston Martin
P3 Ferrari
P2 Mercedes
P1 Red Bull
So weit unsere Eindrücke nach den Testfahrten. Schon bald wird sich beweisen wie das Kräfteverhältnis in der Formel 1 im Jahr 2023 wirklich aussieht. Was meint ihr? Liegen wir komplett daneben? Einigermaßen richtig? Sagt es uns gerne in den Kommentaren oder auf unseren Social-Media-Kanälen!
Erst einmal vielen Dank für eure Meinungen, die sich ja in Teilen immer wieder überschneiden, aber auch in kleinen Nuancen unterscheiden.
Auch wenn ich die Testfahrten nicht so intensiv verfolgt habe, hätte ich McLaren vielleicht noch einen Tick schwächer eingeschätzt. Also praktisch als 4. letztes Team, was aber wohl auch nur der Berichterstattung liegen könnte.
Von einem 3 bis 4 Kampf gehe ich aus.
Was ich mir aber meisten wünsche, ist weiterhin eure Einschätzungen zu lesen und hören, als auch mehr Spannung und weniger Taktikfehler, denn am Ende war es mir zu glatt, wie RB durch das Feld und die Rennen gefahren ist.
Wie steht ihr eigentlich dazu, dass man ggf. Autos, die erfolgreicher sind etwas schwerer macht oder sie anders „einschränkt“?
Vielen Dank für Deinen Kommentar!
Was McLaren angeht ist die Bandbreite an Möglichkeiten wirklich groß. Und zu Beginn des Jahres werden sie womöglich weiter hinten liegen. Über das Jahr hinweg werden sie aber solide entwickeln und am Ende die Saison noch einigermaßen ordentlich beenden. Denke ich. 😂
Was die angesprochenen Handicaps angeht: es gibt ja mittlerweile ein System, das Windkanalläufe und aerodynamische Entwicklung regelt. Vereinfacht dargestellt: Wer weiter vorne in der WM-Wertung liegt, darf weniger entwickeln und andersrum. So soll es Teams mit Defiziten ermöglicht werden durch mehr Entwicklung aufzuholen und den Anschluss zu finden. Das Budget Cap sorgt zudem dafür, dass die großen Teams nicht durch riesige Bidgets Vorteile genießen können. In der Theorie prima, in der Praxis wird es noch einige Jahre dauern, bis das System vollkommen greift.
Gibt es denn bei den Handicaps Kontrollen? Ich gehe doch mal davon aus, dass die meisten Teams eigene Anlagen haben? Oder wird das technisch überprüft?
Das mit den Defizitregeln ist natürlich sehr schön, aber was bringt mir die Möglichkeit mehr zu entwickeln, wenn ich nicht genügend Sponsoren und damit Geld habe, um das Mehr an Entwicklungszeit von neuen Komponenten zu nutzen?
Grundsätzlich werden natürlich alle Regeln (stichprobenartig) kontrolliert. Und das für gewöhnlich ziemlich streng. Wie das im Einzelnen abläuft ist (mir) aber nicht bekannt, da müssen wir auf die FIA vertrauen.
Was das Geld zum Entwickeln betrifft: Wir gehen davon aus, dass 2023 alle Teams am Limit der Budgetobergrenze operieren. Das bedeutet, dass im Prinzip alle Teams gleich viel Geld zum Entwickeln haben. Dieses finanzielle Gefälle von früher gibt es folglich nicht mehr. Es kommt wieder darauf an wie man die Mittel einsetzt und welche Konstrukteure die cleversten Ideen entwickeln. Klingt in der Theorie großartig und so sollte es sich auch entwickeln.