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GP Reviews #8: Baku

Ich mag die Strecke in Baku und bis dato hat sie uns einige herrliche Grand Prix beschert. Besonders in den Jahren 2017 und 2018 bot uns der spektakuläre Stadtkurs viel Drama, Kontroversen und Spannung. Unvergessen der Rempler von Sebastian Vettel (damals noch im Ferrari) gegen Lewis Hamilton oder auch die stallinterne Kollision zwischen Ricciardo und Verstappen. Reifenplatzer bei Bottas, die legendäre Aufholjagd von Alonso im ramponierten McLaren oder Lance Stroll auf dem Podium sind ebenfalls einige der zahlreichen verrückten Anekdoten, die die malerisch gelegene Strecke in Aserbaidschan uns schon beschert hat. Das Rennen 2022 war allerdings – je nach Sichtweise – zwar mehr oder weniger dramatisch, an der Spitze allerdings nicht wirklich spannend. Aber eins nach dem anderen…

Ferrari-Fiasko

Das beherrschende Thema im Sinne des WM-Kampfs sind sicher die Probleme bei Ferrari. Und zwar sowohl beim Werksteam als auch bei den Kunden. Vier Autos fielen im Laufe des Rennens aus, in allen schlummert eine Power Unit aus Maranello. Auch wenn bei Carlos Sainz die Hydraulik streikte und man nach dem Rennen betonte der Defekt am Wagen von Zhou Guanyu habe nichts mit Ferrari-Teilen zu tun, sondern liege bei Alfa Romeo – die Rauchschwaden bei Kevin Magnussen und vor allem beim zu dem Zeitpunkt Führenden Charles Leclerc lassen keinerlei Zweifel aufkommen: Motorschaden. Das ist vor allem für Leclerc aus dreierlei Gründen problematisch: Erstens sind ihm natürlich akut und zum wiederholten Male viele Punkte verloren gegangen. Zweitens lassen sich etwaige Konstruktionsprobleme am Antrieb nicht mal eben über Nacht aus der Welt schaffen, sondern brauchen Monate Zeit. Und drittens wird Leclerc zwangsläufig früher oder später zusätzliche Motorenkomponenten verwenden müssen und dafür Startplatzstrafen auffassen. All das wird Team und Fahrer natürlich nicht gefallen. Der WM-Zug ist zwar noch nicht endgültig abgefahren, aber augenblicklich müssten sich die Roten schon mächtig strecken um einem Gegner wie Red Bull dauerhaft Paroli zu bieten. Ein Hoffnungsschimmer bleibt aber: Ferrari hat nach wie vor das schnellste Auto im Feld. Und es scheint unter allen Bedingungen auf Anhieb zu funktionieren. Das beweisen bereits sechs Pole Positions von Leclerc in diesem Jahr. Jetzt muss die Mannschaft diese Vorteile nur auch konsequent in Punkte umsetzen. Auch in Baku ging die Pole an Charles Leclerc, der seinen Ferrari vor Sergio Perez, Max Verstappen und seinen Teamkollegen Sainz stellen konnte. Am Ende werden die Punkte aber natürlich am Sonntag vergeben und da musste Ferrari einen bitteren Doppelausfall hinnehmen. Null Punkte. Autsch.

Bullen-Bollwerk

Wo Licht ist, da ist bekanntlich auch Schatten. Und umgekehrt. Während in Maranello die Alarmglocken läuten, feiert Red Bull den nächsten Doppelsieg. Und die schnellste Runde im Rennen von Perez. Maximale Punkteausbeute, Führung in beiden WM-Wertungen. Besser könnte es momentan kaum laufen. Dabei schien der Kampf um den Titel zu Saisonbeginn noch aussichtslos. Da gab es bei den Bullen noch Probleme mit der Standfestigkeit und einige Ausfälle zu beklagen. Ferrari schien meilenweit davongezogen. Und nun umgekehrte Vorzeichen. Ich bin gespannt wie oft das Pendel in dieser Saison noch umschwingt. Im Moment deuten aber alle Zeichen auf einen Alleingang von Red Bull hin. Der Motor läuft, das Auto ist konstant schnell, sofern das Team mit dem Setup ins Schwarze trifft. Die Zuverlässigkeit scheint auch zu passen und sogar die chronischen DRS-Probleme haben den Härtetest in Baku bestanden. Perez hat seinen Vertrag ebenfalls verlängert und im Team scheint es rundum harmonisch zuzugehen. Wirklich beeindruckend wie es die Mannschaft hinbekommen hat vergangenes Jahr quasi bis zum Ende zu entwickeln, um den Fahrer-Titel zu gewinnen, und trotzdem so früh wieder so ein starkes Auto parat hat, das direkt um die nächste WM kämpfen kann. Trotz völlig veränderter Regeln. Ein Kunststück, das dem Erzrivalen Mercedes nicht geglückt ist.

Maue Mercedes

Bei den Silberpfeilen geht es jedenfalls erheblich weniger harmonisch zu als in jüngerer Vergangenheit. Das Team holt zwar weiterhin sehr konstant alle Punkte, die Ferrari und Red Bull liegen lassen, der Abstand zur Spitze ist aber weiterhin groß. Und die Fahrwerksprobleme kosten nicht nur Performance, sondern gehen auch auf die Gesundheit, wie Lewis Hamilton nach dem Rennen dramatisch anprangerte. Sichtlich erschöpft kroch er aus seinem Silberpfeil und klagte über Rückenprobleme, die eine direkte Konsequenz des heftigen Porpoising sind, das die Mercedes seit Saisonbeginn umtreibt. Die aerodynamischen Ursachen des Problems scheinen übrigens beseitigt, so hört man. In Monaco und Baku waren aber die Bodenwellen ein großes Problem für das Mercedes-Fahrwerk und rüttelten die Fahrer heftig durch. Alle Schwierigkeiten sind also noch nicht ausgemerzt, aber es geht voran. Die Windkanaldaten des W13 sehen übrigens wohl derart positiv aus, dass man sich im Team wohl sicher war die Titel dieses Jahr im Vorbeigehen einzuheimsen – so sagen es Gerüchte aus dem Fahrerlager. Allerdings kommen die Daten aus der Theorie weiterhin nicht in der Praxis und auf der Strecke an. Ich drücke Toto Wolff und seinem Team aber die Daumen, dass das bald gelingt und sie den Titelkampf noch beleben können. Ahja, fast vergessen: George Russell lieferte wieder eine astreine Leistung ab und landete vor Hamilton und als Gesamtdritter erneut auf dem Podium. Selbstredend bleibt seine sensationelle Serie bestehen: In jedem Rennen 2022 landete Russell in den Top5. Chapeau!

Resterampe

Endlich sah es bei Alpha Tauri nach einem Durchbruch aus. In Baku konnten sich Pierre Gasly und Yuki Tsunoda besser in Szene setzen als bisher in der Saison. Beide Autos souverän in Q3 und Pierre Gasly mit einem starken fünften Platz im Rennen. So kennen wir die Mannschaft um Franz Tost. Einziger Wermutstropfen: ein kurioser Heckflügel-Defekt bei Tsunoda kostete ein noch besseres Teamergebnis. Ebenfalls grundsolide unterwegs waren beide Alpine-Piloten. Mit einem ultraflachen Heckflügel und einem Setup, das klar auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegt war, hatten sich die Franzosen aber vermutlich noch mehr ausgerechnet. Man sprach schon von Geheimfavoriten und wähnte den ein oder anderen Alpine auf dem Podium. Damit hat es nicht ganz geklappt, aber beide Fahrer in den Punkten sind auch eine reife Leistung. Gemischte Gefühle bei Aston Martin. Während Lance Stroll von einem Malheur ins nächste stolperte (P16 am Ende), feierte Sebastian Vettel weiter den klar erkennbaren Aufwärtstrend, den die B-Version des grünen Renners in Gang gebracht hat. Die Ingenieure verstehen das Auto langsam und können nach und nach Performance freisetzen. Vettel nutzt all seine Erfahrung um diese Performance auch in Ergebnisse umzumünzen. Ein guter sechster Platz. Es hätte sogar mehr Punkte geben können, hätte sich Vettel nicht im Zweikampf gegen Ocon einen Verbremser geleistet und rund sieben Sekunden Zeit dabei verloren. McLaren stagniert etwas. Zwar konnten beide Fahrer Punkte holen und Ricciardo erlebte eines seiner besseren Wochenenden, aber es fehlt noch deutlich Leistung um weiter vorne angreifen zu können. Hoffen wir auf baldige Upgrades für die Papaya-orangenen Renner.

Sorgenkinder

Manch einer hatte keine gute Zeit in Baku. Beide Williams kamen das ganze Wochenende nicht so recht aus den Startlöchern und gurkten durchweg am Ende des Feldes rum. Zudem sickerten Gerüchte durch, dass Supertalent Oscar Piastri spätestens im nächsten Jahr ein Williams-Cockpit bekommen soll. Das sorgt für Unruhe, vor allem bei Nicholas Latifi, dessen Platz vermeintlich wackelt. Auch Baku-Spezialist Bottas hatte an diesem Wochenende nichts zu melden und landete am Ende auf einem enttäuschenden elften Platz. Keine Punkte für Alfa Romeo. Ebenso wie bei Haas. Kevin Magnussen fiel mit einem Motorschaden aus, bei Mick Schumacher ging erneut nicht viel. Immerhin ist er sauber durch das Rennen gekommen und leistete sich keinen Schnitzer in den Häuserschluchten von Baku. Es muss aber bald mehr kommen, sonst wird es ganz schwer für ihn Argumente für einen Verbleib im Team zu finden.

Fazit

Fazit
3 5 0 1
Nach dem Ausfall beider Ferrari war der Kampf vorne leider mäßig spannend. Insgesamt ein eher durchschnittliches Rennen. Unterhaltsam, aber nicht exzellent.
Nach dem Ausfall beider Ferrari war der Kampf vorne leider mäßig spannend. Insgesamt ein eher durchschnittliches Rennen. Unterhaltsam, aber nicht exzellent.
3/5
Neutral

TOP:

  • Makellose Bilanz bei Red Bull: Doppelsieg, schnellste Runde, Führung in beiden WM-Wertungen. Nur die Pole Position fehlt zum perfekten Glück.
  • Aufwärtstrend bei Aston Martin erkennbar. Vettel kommt endlich in Fahrt und sollte ab jetzt solide punkten können.
  • Mercedes hamstert weiter fleißig Punkte und arbeitet weiter hart an den Lösungen der Fahrwerksprobleme. Da geht noch was!

FLOP:

  • Rabenschwarzes Wochenende für Ferrari. Beide Werksboliden ausgefallen, dazu zwei Kunden mit Motorenproblemen. Das sorgt für Kopfschmerzen.
  • Das Rennen an sich war in Baku dieses Jahr eher mäßig spannend. Eigentlich unüblich für den wunderschönen Stadtkurs.
  • Wenn Red Bull so gnadenlos weitersiegt, wird der Kampf um die Weltmeisterschaften bald recht einseitig.

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