Just als darüber diskutiert wird, dass die Formel 1 künftig vielleicht gar keinen Grand Prix mehr in Monte Carlo fahren wird, schenkt uns der Renngott so ein total verrücktes Rennen. Die Ausgabe 2022 wird auf jeden Fall als eines der besseren Rennen in die Geschichtsbücher eingehen. Es war alles drin: Wetterkapriolen, Strategie-Drama, Safety Car, Rennabbruch, Unfälle (glücklicherweise ohne Verletzte!), Überholmanöver auf der Strecke (!!!) und tatsächlich Spannung bis zum letzten Meter. Ein irrer Vierkampf um den Sieg, wann hat es so etwas denn in Monaco schon gegeben? Dieser Rennsonntag hatte es wahrlich in sich und am Ende des Tages sind solche Rennen das beste Bewerbungsschreiben, wenn es darum geht einen neuen Vertrag auszuhandeln. Hoffen wir, dass uns dieses einmalige und verrückte Rennen noch lange erhalten bleibt.
Der wichtigste Samstag
Statistisch ist Monaco zwar nicht die Strecke, auf der die meisten Rennen von der Pole Position aus gewonnen werden, aber da Überholen auf dem engen Stadtkurs enorm schwer ist, spielt das Qualifying eine beträchtliche Rolle. Zudem ist die Monaco-Pole mit einer stattlichen Portion Prestige behaftet, jeder möchte hier auf P1 fahren, keine Frage. Dementsprechend spannend und viel beachtet war das Quali dann auch dieses Jahr. Die große Überraschung aber blieb aus. Im Großen und Ganzen qualifizierten sich die meisten Fahrer in etwa da, wo man sie anhand der Leistungen der jüngeren Vergangenheit auch vermuten würde. Alpine und Mercedes einen Hauch besser, Haas und Alfa Romeo ein bisschen schlechter. Lando Norris machte wieder einen super Job und stellte seinen McLaren auf P5 als best of the rest. Hochgezogene Augenbrauen hatte ich nur bei Pierre Gasly. Der wurde von seinem Teamkollegen Tsunoda abgehängt und landete nur auf Rang 17.
Vorne das gewohnte Bild: zwei Ferrari und zwei Red Bull streiten sich um die Pole Position. Lokalmatador Charles Leclerc konnte das ganze Wochenende überzeugen und sicherte sich schließlich auch P1, direkt dahinter Teamkollege Carlos Sainz, der ebenfalls konstant schnell war im Fürstentum. Beim letzten Versuch verlor Sergio Perez ausgangs Portier das Heck und sorgte für einen kleinen Stau, Max Verstappen und Sainz mussten daher ihren letzten Versuch abbrechen und konnten nicht mehr nachlegen. Perez blieb auf Position drei, einen Platz vor Teamkollege Verstappen.
Pleiten, Pech und Pannen
Während der Vorberichterstattung zum Rennen am Sonntag begann es plötzlich ein wenig zu regnen. Fans an der Strecke und zuhause freuten sich schon auf einen aufregenden Rennstart auf feuchter Strecke, aber zur Verwirrung aller verschob die Rennleitung den Start zunächst um wenige Minuten. Offiziell um den Teams ein Umsatteln auf geeignete Reifen in der Startaufstellung zu ermöglichen. In diesen Minuten öffneten sich die Schleusen aber so richtig und es kam eine Menge Wasser vom Himmel. Nochmals eine Verschiebung des Rennstarts. Ab dann sickerten die Infos spärlich und unzuverlässig durch. Um das Drama abzukürzen: Das Feld fuhr einige Runden hinter dem Safety Car um die Bedingungen abzutasten, es gab dann abermals eine Verzögerung und erst mit über einer Stunde Verspätung begann der Monaco-GP dann endlich. Mit einem rollenden Start hinter dem Safety Car und aufgrund der Wetterlage waren für alle Fahrer Regenreifen Pflicht.
Bevor ich etwas zum Rennen selbst sage, sei an dieser Stelle angemerkt, dass sich das Rennen zunächst gar nicht wegen des Wetters verzögert hatte. Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass es in unmittelbarer Nähe der Strecke einen größeren Stromausfall gegeben hatte und die FIA nicht sicherstellen konnte, dass die Startampeln und alle daran geknüpften Prozeduren korrekt hätten ablaufen können. Ein seltsamer Bug, aber sowas kann natürlich passieren. Die Funktionäre haben sich allerdings nicht gerade mit Ruhm bekleckert als es darum ging alle Vorgänge transparent zu kommunizieren. So regten sich in den sozialen Medien wieder viele Fans darüber auf, dass die Formel 1 bei einigen Tropfen schon kapitulieren muss und kein Rennen stattfinden kann. Überzogen natürlich, denn die Sicherheit geht immer vor und die Bedingungen waren tatsächlich knifflig. Aber wie immer gilt: Kommunikation hilft ungemein.
Strategie ist Trumpf!
Kaum waren eine Hand voll Runden absolviert, ging der spannende Poker dann bereits richtig los. Bei abtrocknenden Bedingungen ist es immer wertvoll den crossover-point möglichst ideal zu erwischen. Also den Zeitpunkt ab dem Intermediates schneller sind als Regenreifen bzw. Slicks schneller als Inters. Pierre Gasly hatte wenig zu verlieren und wagte es bereits nach zwei Rennrunden seine Regenlatschen abzustreifen und auf Intermediates zu gehen. Wenige Runden später folgten Mick Schumacher, Sebastian Vettel und Yuki Tsunoda. Es war aber Gasly, der rundenlang mit tollen und mutigen Überholmanövern langsam, aber sicher nach vorne kam. An der Spitze rauchten indes die Köpfe und es wurde viel diskutiert. Die Reihenfolge hatte sich nicht verändert. Leclerc vor Sainz, Perez und Verstappen. Wer zuckt zuerst? Wer macht womöglich einen Fehler mit der Strategie? Carlos Sainz legte sich relativ früh fest: er wollte von Regenreifen direkt auf Slicks wechseln, sobald die Bedingungen dies zulassen würden. Bei Red Bull entschied man sich zu einem Wechsel auf Intermediates für Checo Perez, kopierte also gewissermaßen die Gasly-Taktik. Aber eben 15 Runden später. Da war schon relativ viel Rennzeit verloren, aber es wollte eben niemand zuerst die Karten auf den Tisch legen und von hinten drohte auch nicht allzu viel Gefahr. Leclerc und Verstappen zogen direkt nach, einzig Sainz bestand darauf, dass er keinen Umstieg auf Intermediates wollte. Der Ferrari-Kommandostand riet ihm zwar davon ab, aber am Ende setzte der Spanier seinen Willen durch und sollte Recht behalten. Das war für ihn die richtige Strategie. Leclerc hatte durch seinen etwas späteren Stopp bereits eine Position an Perez verloren. In Runde 21 folgte dann der richtig große Bock vom Ferrari-Kommandostand. Zunächst kam Sainz endlich rein um sich Slicks abzuholen, man sagte gleichzeitig auch Charles Leclerc bescheid, dass er ebenfalls an die Box kommen möge. Der Abstand beider Ferraris auf der Strecke war aber zu gering und so musste Leclerc kurz warten, bis sein Teamkollege abgefertigt wurde. Eine Runde später zeigte Red Bull dann wie man so einen doppelten Boxenstopp korrekt ausführt. Die vier Führenden waren ab da auf Trockenreifen unterwegs, die Reihenfolge lautete aber: Perez, Sainz, Verstappen, Leclerc. Was für eine Pleite für den Lokalmatadoren. Er war das ganze Wochenende über der schnellste Mann, hat sich keinen Fehler erlaubt und wurde unverschuldet von Rang eins auf Position vier durchgereicht. Bitter.
Der große Knall
In Runde 27 erlebte der Monaco-GP 2022 dann abermals eine Zäsur. Kurz nachdem alle Fahrer auf Trockenreifen umgesattelt hatten, passierte ausgerechnet Mick Schumacher ein Missgeschick und er sorgte für einen heftigen Abflug. Ausgerechnet Mick, weil er bereits in Saudi Arabien auf einem Stadtkurs für einen ähnlichen Totalschaden gesorgt hatte. Finanziell ist das für das Team natürlich ein Fiasko, Günther Steiner hat Mick in Folge dann auch öffentlich angezählt. Die wichtigste Nachricht nach jedem derartigen Crash ist aber selbstverständlich: niemand wurde verletzt, alle Schutzengel waren glücklicherweise zur Stelle. Teamkollege Kevin Magnussen war kurz zuvor ebenfalls gestrandet, ein Wochenende zum Vergessen für das Haas-Team also, das nach wie vor zu wenig aus seinem eigentlich guten Auto macht. Keine gute Figur machte bei dieser Gelegenheit auch wieder die Rennleitung. Der Haas lag in der Hafenschikane in Trümmern, der hintere Teil des Wagens samt Getriebe abgerissen vom Monocoque. Jeder halbwegs vernünftige Zuschauer konnte erkennen, dass dieses Schlachtfeld ohne eine Rennunterbrechung nicht wirklich zu säubern ist. Die Rennleitung rief allerdings erstmal das virtuelle Safety Car aus, nur um kurz später auf das vollwertige Safety Car umzuschwenken. Und schließlich doch die rote Flagge zu zeigen und das Rennen zu unterbrechen. Suboptimal.
Die Uhr runterspielen
Nach dieser Unterbrechung war klar, dass der Monaco-GP 2022 nicht über die volle Distanz gehen würde. Stattdessen lief die maximal erlaubte Rennzeit von zwei Stunden ab und ein Countdown zeigte an, wann das Rennen beendet sein würde. Wie bei jeder roten Flagge durften Teams und Fahrer auch hier an den Autos arbeiten und vor allem die Reifen nach Belieben wechseln. So ergab sich an der Spitze ein interessantes Bild: Beide Red Bull gingen mit frischen Mediums in den letzten Teil des Rennens, beide Ferrari auf gebrauchten Hard-Reifen. Theoretisch also Vorteil für Red Bull, da die weicheren Mediums schneller auf Temperatur kommen sollten, allerdings natürlich auch riskant, weil man zu dem Zeitpunkt nicht absehen konnte ob die Reifen auch bis Rennende konkurrenzfähig bleiben würden. Leider bekamen wir auch bei dieser Gelegenheit keinen stehenden Start zu sehen, das Feld ging also nach 30 absolvierten Runden rollend auf die Reise und es blieben rund 40 Minuten Rennzeit übrig, die über alles entscheiden sollten. Und es wurde wirklich ein unglaublich enges und spannendes Rennen. Bis zum Schluss blieben die vier Führenden dicht beisammen und der kleinste Fehler hätte gewaltige Konsequenzen haben können. Aber niemand erlaubte sich einen Fauxpas. Auch die Reifen hielten und so kamen die Ferraris und Red Bulls so ins Ziel, wie sie auch nach der roten Flagge gestartet sind. Sergio Perez konnte seinen ersten Monaco-Sieg feiern, dahinter Sainz und Verstappen. Das Heimspiel lief für Charles Leclerc zwar besser denn je – bisher hatte er es noch bei keinem Monaco-Rennen ins Ziel geschafft – aber nach der Pole Position konnte er sich über Rang vier im Ziel dennoch nicht wirklich freuen. Perez hingegen krönte seinen neuen Vertrag bis 2024, der offenbar bereits vor dem Rennen in Monte Carlo unterzeichnet worden war, mit einer Glanzleistung und dem Sieg. Er ist jetzt der erfolgreichste Mexikaner in der Formel 1 und hat aktuell auch nur 15 Punkte Rückstand auf Verstappen in der WM. Laut Christian Horner ist es dem Team auch nicht wichtig welcher ihrer Fahrer Weltmeister wird, beide dürfen mit gleichem Material um den Titel kämpfen. Papa Jos Verstappen hingegen wetterte bereits gegen eine vermeintliche Benachteiligung seines Sohnes. Ziemlich lächerliches Vorgehen, aber es beweist: da ist Feuer unterm Dach und Max kriegt endlich teamintern etwas Gegenwind. Ob ihm das gefällt und wie sich diese Dynamik bis Ende 2024 nun entwickeln wird… wir werden sehen. Ich freue mich jedenfalls sehr für Sergio Perez und gönne ihm den Rennsieg und den langfristigen Vertrag von Herzen.
Was sonst noch geschah
Der letzte Teil des Rennens gestaltete sich auch abseits der Spitze recht unterhaltsam. Hinter den Top vier konnten George Russell und Lando Norris das Tempo nicht ganz mitgehen und lieferten sich mit etwas Abstand zur Spitze einen spannenden Kampf um die fünfte Position. Hinter den beiden bummelte Fernando Alonso rundenlang aufreizend und machte seinen Alpine breit, so dass niemand einen Überholversuch wagen konnte. Lewis Hamilton verzweifelte schon hinter seinem vermeintlichen Erzrivalen ehe dieser plötzlich das Tempo anzog und der Gruppe davonfuhr. Der alte Fuchs Alonso wollte sich auf diese Weise einen extra Punkt für die schnellste Runde sichern. Erst lange Reifen schonen und Sprit verfahren, dann mit intakten Reifen und einem leichteren Auto noch den Extrapunkt abgreifen. Das hätte auch beinahe geklappt. Allerdings war die Lücke nach vorne zu Norris irgendwann so groß, dass dieser sich ohne Platzverlust einen zusätzlichen Boxenstopp leisten konnte. So holte Norris nicht nur in Riesenschritten auf Russell auf, sondern sicherte sich nebenbei noch die schnellste Runde. Im Ziel fehlten ihm nur rund zwei Zehntel auf Russell und Rang 5, die Taktik wäre also beinahe aufgegangen. George Russell hingegen setzte seine unglaublich konstante Serie fort und landete erneut unter den besten fünf. Als einziger Fahrer dieses Jahr bisher.
Esteban Ocon wurde nach einem Techtelmechtel mit Hamilton in der ersten Rennhälfte mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt und fiel schließlich noch aus den Punkten. Sebastian Vettel zog dadurch noch in die Top 10 ein und sicherte sich einen Punkt. Einmal mehr enttäuschend war die Vorstellung von Daniel Ricciardo. Rang 13 am Ende, keine Punkte, schwache Leistung, wieder vom Teamkollegen gebügelt. Zu allem Überfluss sorgte sein Chef Zak Brown schon vor dem Wochenende für Aufsehen, als er den Australier öffentlich kritisierte. Zudem wurden mögliche Ausstiegsklauseln im Vertrag publik, die dafür sorgen könnten, dass Ricciardo bereits Ende dieser Saison seine Koffer bei McLaren wieder packen muss. Das Thema wird uns wohl noch eine Weile begleiten. So richtig glücklich sind im Moment weder Daniel Ricciardo selbst noch McLaren mit der Zusammenarbeit.
Der letzte Monaco-GP?
Zudem schwebte an diesem Wochenende auch noch ein Hauch von Wehmut über dem Rennen. Der aktuelle Vertrag läuft aus, einen neuen gibt es noch nicht. Und was jahrzehntelang undenkbar schien, könnte tatsächlich passieren: vielleicht haben wir gerade das letzte Rennen in Monte Carlo erlebt. Es laufen natürlich Gespräche, man denkt über einen Umbau der Strecke nach, es geht um Prestige und natürlich Geld. Und vor allem darum, dass der Rennkalender aus allen Nähten platzt und für ein Rennen im Fürstentum vielleicht schlicht kein Platz mehr ist. Ob der Monaco-GP überhaupt noch zeitgemäß ist, darüber wird ja auch schon ewig diskutiert. Sicherheitsaspekte spielen dabei natürlich eine Rolle, aber auch zahlreiche komplizierte Extrawürste und Zugeständnisse, die die FIA den Veranstaltern einfach nicht mehr machen will. Dass dieses Jahr nicht – wie in Monaco seit jeher Tradition – bereits am Donnerstag trainiert wurde, kann man da als kleinen Schuss vor den Bug verstehen. Es laufen im Hintergrund aber auch noch etliche Deals in Richtung Vermarktung, TV-Regie etc., die es jetzt neu zu verhandeln gilt. Tenor scheint zu sein: Entweder ist man bereit sich ins Gefüge der FIA einzugliedern oder der Rennzirkus dreht sich einfach ohne Monaco weiter. Dass das zumindest kurzfristig für ein Jahr passieren kann, hält Experte Michael Schmidt von automotorundsport.de übrigens für absolut realistisch. Vielleicht müssen wir also nur im kommenden Jahr auf dieses verrückte Rennen verzichten. Was enorm schade wäre, denn: nach dem Grand Prix 2022 habe ich auf jeden Fall Lust auf weitere Rennen in dieser einzigartigen Atmosphäre.
Fazit
FazitTOP:
- Ein überaus spannendes und unterhaltsames Rennen, das wirklich alle Zutaten im Angebot hatte. Hoffentlich war das nicht der letzte Monaco-GP!
- Sehr gute Leistung von Sieger Perez, aber auch Carlos Sainz, George Russell und Lando Norris haben erneut überzeugt.
- Fernando Alonso hat wieder tief in die Trickkiste gegriffen und mit einem Husarenstück versucht das absolute Optimum für sich rauszuholen. Prädikat: überaus unterhaltsam!
FLOP:
- Die Rennleitung hat sich in vielen Situationen nicht mir Ruhm bekleckert und ihre Entscheidungen auch mangelhaft kommuniziert.
- Mick Schumacher und Daniel Ricciardo waren abermals weit weg von den Leistungen, die man von ihnen erwartet. Für beide wird es langsam eng.
- Ferrari hat bereits das zweite Rennen in Folge unnötig aus der Hand gegeben und durch eigene Fehler verloren. So wird der WM-Kampf schwer.