Direkt zu Beginn ein Satz, den man so nicht wirklich oft sagen kann: Das war ein wirklich guter Spanien-GP! Die Rennen auf dem Circuit de Catalunya sind in der Regel eher langatmige Prozessionen. Die Teams und Fahrer kennen die Strecke einfach zu gut. Tausende von Testkilometern spulen sie schließlich jedes Jahr auf dem Kurs ab und füttern die Simulations-Computer mit Unmengen an Daten. Bei so guter Vorbereitung und mit derart viel Erfahrung bleibt das Überraschungsmoment meistens (Achtung Wortspiel:) auf der Strecke. Nicht so dieses Jahr. Zuverlässigkeitsprobleme und ungewohnte Fehler bescherten uns einen überaus interessanten Grand Prix. Dazu noch mindestens zwei sehenswerte Aufholjagden. Gute Zutaten für einen unterhaltsamen Renn-Nachmittag.
Upgrade-Festival
Für gewöhnlich markiert der Spanien-GP den Beginn der Europa-Saison und damit die erste gute Möglichkeit für alle Teams neue Teile an die Autos zu schrauben. Gut, mit Imola fand dieses Jahr bereits ein Rennen auf Europäischem Boden statt, die meisten größeren Umbauten haben sich die Teams dennoch für Barcelona aufgespart. Auch wegen der optimalen Vergleichsmöglichkeiten mit den zahlreichen Daten der Testfahrten. Aston Martin sorgte für Aufsehen, als da plötzlich ein grüner Red Bull aus der Garage rollte. Tatsächlich sieht der AMR22 in einigen Bereichen seinem Red-Bull-Konterfei verblüffend ähnlich. Vor allem die Seitenkästen haben für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Kopieren per se ist nicht verboten. Das hat das Team (damals noch unter dem Namen Racing Point) ja bereits erfolgreich praktiziert und den berühmten „pinken Mercedes“ auf die Strecke gebracht. Aber auch damals waren die Umstände dubios und die Art und Weise wie Bremsbelüftungen konzipiert worden waren wurde der Mannschaft letztendlich zum Verhängnis. Punktabzug und Geldstrafe waren die Konsequenz. Auch diesmal munkelt man bereits darüber woher die Ähnlichkeiten stammen. Aston Martin behauptet das Design sei bereits im vergangenen November im Windkanal gewesen, also noch lange bevor man die Lösung der Konkurrenz bei den Testfahrten zu Gesicht bekam. Oder doch nicht? Einige hochrangige Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten die Fronten gewechselt und womöglich sensible Informationen von Red Bull zu Aston Martin mitgebracht. So der Verdacht von Christian Horner. Mein Bauchgefühl sagt: Diese Kontroverse wird uns noch eine Weile beschäftigen.
Schnell war die B-Version des grünen Renners jedenfalls noch nicht wirklich. Für die Plätze 11 und 15 gab es keine Punkte. Aber natürlich muss so ein rundum erneuertes Auto auch erstmal gründlich erprobt und verstanden werden. Potential ist also da. Für eine Menge Performance auf der Strecke und richtig viel Zündstoff jenseits davon.
Eine deutliche Steigerung konnte indes das Mercedes-Team verbuchen. Deren Upgrades scheinen gut eingeschlagen zu haben und viele Probleme des zickigen Silberpfeils scheinen plötzlich gelöst. Mit deutlich weniger Bouncing als bisher konnten Lewis Hamilton und George Russell erstmals ordentlich mithalten und andeuten, wozu die Konstruktion fähig ist. Nüchtern betrachtet fehlten den Silberpfeilen auch in Barcelona rund sechs bis sieben Zehntel pro Runde auf die Spitze. Im Renntrimm waren die Mercedes dennoch gut dabei. George Russell konnte sogar Führungskilometer sammeln und behauptete sich das halbe Rennen bärenstark gegen beide Red Bull. Platz drei als Belohnung sprang am Ende raus. Lewis Hamilton lieferte, nach einer Kollision mit Magnussen in der ersten Runde, eine beeindruckende Aufholjagd und landete am Ende auf einem starken fünften Platz. Eigentlich wollte er schon aufgeben und den Motor schonen. Das Team rechnete vor man könnte noch um Platz acht kämpfen. Letztendlich lief es sogar deutlich besser. Sollten die Kinderkrankheiten am Mercedes nun also ausgemerzt sein, kann das Team endlich damit beginnen das Potential des Wagens freizusetzen und ordentlich zu entwickeln. Und so weit liegt das Team in der Konstrukteurswertung auch noch gar nicht zurück. Wenn sich zur guten Zuverlässigkeit und der konsequenten Punktehamsterei im ersten Saisonviertel nun auch noch eine ordentliche Pace gesellt, dann kann die Truppe womöglich auch in Richtung WM noch ein Wörtchen mitreden. Es wäre großartig!
Der Defektteufel schiebt Überstunden
Apropos Zuverlässigkeit… Genau diese fehlt den beiden übrigen Titelaspiranten noch. Red Bull hat bereits schon drei Nullnummern zu verbuchen (zwei mal Verstappen, ein mal Perez) und auch in Barcelona präsentierten sich die Bullen nicht kugelsicher. Das DRS-System am Auto von Max Verstappen hatte wieder Aussetzer. Bereits im Quali ließ sich der Flügel teilweise nicht öffnen. Vor dem Rennen schraubten die Mechaniker eifrig und wollten die Probleme eigentlich behoben haben, aber auch während des Grand Prix kämpfte Verstappen mit einem zickigen DRS. Mal ließ es sich öffnen, mal nicht. Der Niederländer schäumte förmlich am Funk und kritisierte seine Mannschaft dafür, dass sie nicht mal ein DRS bauen kann. Da kochten die Emotionen wohl ein wenig über. Nach dem Rennen klangen die Vorwürfe schon deutlich harmloser. Immerhin. Mit dem Sieg in der Tasche lässt es sich über solche Probleme auch entspannter sinnieren.
Ferrari hat eine neue Ausbaustufe der Power Unit eingesetzt und prompt zickte das Aggregat bei Charles Leclerc und kostete ihn einen sicheren Sieg. Und im Alfa Romeo von Guanyu Zhou gab es ebenfalls Probleme mit dem Ferrari-Motor. Das dürfte den Roten durchaus Sorgen bereiten. Es drohen Startplatzstrafen oder Ausfälle, beides kann man sich in einer hart umkämpften Saison eigentlich nicht erlauben. Immerhin stimmte die Pace, dementsprechend entspannt wirkte Leclerc auch nach dem Ausfall. Das Selbstbewusstsein in die Stärke seiner Mannschaft und in seine eigenen Fähigkeiten scheint ungebrochen. Mal sehen wie es dem Monegassen bei seinem Heim-GP ergeht, der ja bereits am kommenden Wochenende steigt.
Ungewohnte Fehler
Zu Problemen mit der Zuverlässigkeit gesellten sich, wie eingangs bereits erwähnt, auch ein paar merkwürdige Fehler, die dem Rennen Würze verliehen haben. Erst kegelte der Lokalmatador Carlos Sainz im ersten Rennviertel in Kurve vier von der Bahn. Wenige Runden später dann auch Max Verstappen an gleicher Stelle. Unberechenbare Windböen waren wohl der Grund für die beinahe identischen Ausrutscher. Glücklicherweise konnten beide Piloten weiterfahren und das Rennen beenden. Für Carlos Sainz ging es mit einem beschädigten Unterboden aber nur bedingt voran. Ein glücklicher vierter Platz vor heimischem Publikum wird ihm ein schwacher Trost sein, hatte Ferrari doch das potentiell schnellste Auto in Barcelona. Max Verstappen konnte das Rennen am Ende zwar noch gewinnen, profitierte dabei aber vom Ausfall seines WM-Kontrahenten Leclerc und vom Wohlwollen seines Teamkollegen. Sergio Perez machte im Verlauf des Rennens zwei mal Platz für den Weltmeister und durfte nicht wirklich fair um den Sieg mitkämpfen. Was ihn am Funk dann auch zu der Aussage verleitete, dass man sich nach dem Rennen intern noch unterhalten müsse. Leider wird man ihm dabei vermutlich erklärt haben, dass er die zweite Geige im Team spielt und bereits jetzt schon für Teamleader Verstappen fahren muss. Ja, die Formel 1 ist gnadenlos.
Eins, zwei oder drei?
Ein Faktor, der den Spanien-GP so spannend gemacht hat, war natürlich auch die Strategie. Im Rennen selbst schien alles möglich, erst gegen Ende zeigte sich deutlich, dass drei Stopps an diesem brütend heißen Tag in Barcelona die schnellste Variante waren. Einige Fahrer wie Valtteri Bottas oder Mick Schumacher wurden auf zwei Stopps gesetzt und verloren in den Schlussrunden mit stark abbauenden Reifen noch ordentlich Plätze. Auch für Sebastian Vettel ging der Zweistopper nicht auf. Er landete im Endklassement auf Rang 11 und schlitterte knapp an den Punkten vorbei. Auf die richtige Strategie hatte Fernando Alonso gesetzt. Nach dem vermurksten Quali beschloss das Alpine-Team eine neue Antriebseinheit in den Pool zu wuchten und dafür eine Startplatzstrafe zu kassieren. Diese tat aber kaum weh. Ob Alonso nun regulär von P17 oder dann letztendlich vom letzten Platz aus ins Rennen ging schien egal. War es wohl auch. Der Spanier legte beim Heimrennen eine tolle Leistung hin und konnte noch auf Rang neun vorfahren. Ähnlich wie Lewis Hamilton also großartig durchs Feld gekämpft. Weniger Glück mit der Strategie hatte leider auch Mick Schumacher. Zeitweise lag er auf der sechsten Position und damit in den Punkten, aber am Ende des Rennens bauten seine Reifen rapide ab und er landete schließlich auf einem enttäuschenden vierzehnten Rang. Das Warten auf Punkte geht also weiter.
Fazit
FazitTOP:
- Mercedes hat gute Upgrades an den W13 geschraubt und es geht sichtlich voran. Vielleicht bekommen wir noch einen Dreikampf um den Titel!
- Max Verstappen bleibt seiner kuriosen Statistik im Jahr 2022 treu: Entweder fällt er aus oder er gewinnt. Ganz oder gar nicht.
- George Russell baut seine Serie ebenfalls weiter aus: Bisher kam er in diesem Jahr immer unter den Top 5 ins Ziel. In Barcelona nach einem starken Auftritt wieder auf dem Podium.
FLOP:
- Sowohl Red Bull als auch Ferrari haben Probleme mit der Zuverlässigkeit. Da müssen beide Teams besser werden, sonst wird aus dem Duell vorne noch ein Dreikampf.
- Der „grüne Red Bull“ von Aston Martin hat noch nicht gehalten was die Daten vermutlich versprochen haben. Das Team tritt auf der Stelle.
- Haas, McLaren und Alpha Tauri waren das ganze Wochenende über blass. Bei allen drei Teams ist Potential da, sie kriegen es aber nicht umgesetzt.