Mit reichlich Tamtam wurde die Rückkehr nach Miami von allen Beteiligten zelebriert. Viele Fahrer brachten besondere Helmlackierungen mit in die USA, Red Bull hatte sogar einen thematisch angepassten Look für den Boliden im Gepäck. Zudem sah man überall Hawaiihemden, Pastellfarben und sonnigen Lifestyle. Die Formel 1 kostete alle Klischees voll aus und die US-Fans lieben sie dafür. Erneut säumten Dutzende Promis das Fahrerlager und nutzten die globale Strahlkraft der Formel 1, um sich selbst in Szene zu setzen. Auch umgekehrt funktioniert das und die Verantwortlichen sind stolz darauf, wen das Rennen im sonnigen Miami so alles an die Strecke lockt. Garniert wurde der ganze Zirkus mit landestypisch teils überdrehten Showeinlagen und viel Pathos. Das wirkte auf mich gleichermaßen charmant wie deplatziert und leider nur allzu oberflächlich. Einmalig und erwähnenswert ist all das natürlich dennoch. Das haben wir in unserer Podcast-Folge zum Miami-GP übrigens auch noch etwas ausführlicher getan, hört also gerne rein!
Gib Gummi!
Sportlich betrachtet gab es aber zum Glück ja auch noch ein vollwertiges Rennwochenende und um dieses soll es ab hier dann jetzt auch gehen. Nach dem neu gestalteten Sprint-Wochenende in Baku vergangene Woche, kehrte der Rennzirkus in Miami wieder zum gewohnten Modus zurück: drei freie Trainings, ein Qualifying und am Sonntag der Grand Prix. Die viele Trainingszeit war auch nötig, denn die Strecke in Miami bot einige Herausforderungen, auf die sich die Mannschaften vorbereiten wollten. Zudem hatten viele Teams einige neue Teile an ihre Autos geschraubt, die ausgiebig getestet werden mussten. Die wichtigste Neuerung an der Strecke war der nagelneue Asphalt. Das Verhalten der Reifen auf dem neuen Belag zu studieren war oberstes Gebot. Die Strecke wurde dabei auch beinahe minütlich schneller, denn durch den Verkehr lag auch immer mehr Gummi auf der Ideallinie, was die Rundenzeiten purzeln ließ. Zu allem Überfluss wurde all der Gummi, der im Verlauf des Wochenendes auf den Asphalt aufgetragen worden war, in der Nacht zum Sonntag von einem stürmischen Gewitter weggewaschen. Eine große Unbekannte also vor dem Grand Prix.
Von Freud und Leid
Bevor es aber um das Renngeschehen am Sonntag geht, müssen wir noch über die Trainings-Sessions und das Quali sprechen. Entgegen meiner Behauptung im Podcast, führte Max Verstappen nicht jede Trainingssitzung in Miami an. Im ersten Freitagstraining waren – etwas überraschend – beide Mercedes-Piloten an der Spitze. Eine Form, die sie im Rest des Wochenendes leider nicht bestätigen sollten. Ab dem FP2 war Verstappen aber nicht mehr zu bremsen und zeigte sich in bestechender Verfassung. Dahinter lagen im Prinzip immer beide Ferrari und Sergio Perez, der nicht so gut mit der Strecke zurechtkam. Aston Martin und Alpine waren gut in den Top 10 unterwegs, auch Haas zeigte eine vielversprechende Form. Für McLaren hingegen lief von der ersten Minute an nicht viel zusammen. Ein sechster Platz von Norris im zweiten Training war da ein positiver Ausreißer, ansonsten waren die Papaya-Renner meist ganz hinten unterwegs. Das war insofern überraschend, als dass der MCL60 in Baku gut bei der Musik war. Die Updates hatten dort prima funktioniert und ließen Hoffnung für die McLaren-Mannschaft aufkeimen. Miami aber lag dem Boliden aus Woking überhaupt nicht und dieser Trend sollte sich leider auch bis zum Rennsonntag fortsetzen.
Mehr Infos, Diskussion und Meinung in unserem Podcast zum Miami-GP:
Vom Winde verweht
Neben dem neuen Asphalt war auch der wechselhafte und zum Teil starke Wind eine große Unbekannte im Verlauf des Wochenendes. Charles Leclerc machte bereits am Freitag Bekanntschaft mit der Leitplanke, nachdem er in Kurve sieben die Kontrolle über seinen zickigen Ferrari verloren hatte. Nico Hülkenberg ging es im Haas ähnlich, er beschädigte seinen Haas bereits im ersten Training. Besonders in den schnellen Ecken bedeutete ein kleiner Windstoß oft schon mindestens eine kaputte Runde, manchmal einen Dreher oder sogar einen handfesten Crash. Es reichte bereits wenige Zentimeter, neben die griffige Ideallinie zu kommen um in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten. Zu schmutzig und rutschig war die Strecke abseits der Rennlinie. Und landete ein Fahrer im Dreck, ging es oft einfach nur so dahin in Richtung Leitplanke. Diese Faktoren sorgten dann auch im Qualifying für viele heikle Momente und ein dramatisches Ende.
Im ersten Quali-Abschnitt gab es schon das ein oder andere Aha-Erlebnis. Da die Strecke permanent schneller wurde, war es sehr wichtig, immer zum bestmöglichen Zeitpunkt eine schnelle Runde in den Asphalt zu brennen. Was natürlich nicht jedem gelang. Neben den bereits erwähnten, erschreckend schwachen McLaren, mussten in Q1 auch Lokalmatador Logan Sargeant und Yuki Tsunoda die Segel streichen. Und auch Lance Stroll, der sich komplett verkalkuliert hatte. Sein Team war der Meinung, dass der Kanadier mit einem Reifensatz locker in die nächste Runde würde einziehen können. Als dann gegen Ende von Q1 aber ein Konkurrent nach dem anderen persönliche Bestzeiten auf die Strecke knallte, war für Stroll einfach nicht mehr genug Zeit übrig, um noch einen Versuch zu wagen. Selbst verschuldet ging es für Lance Stroll also nur von Rang 18 ins Rennen. Angesichts des Potenzials im Auto eine herbe Enttäuschung.
Auch in Q2 gab es die ein oder andere dicke Überraschung. Dass Nyck De Vries sich mit Rang 15 erstmals in dieser Saison vor seinem Teamkollegen platzieren konnte, war da noch die positivste. Neben Zhou Guanyu (P14) und Alex Albon (P11) erwischte es im zweiten Abschnitt allerdings auch Lewis Hamilton, der nur auf Rang 13 landete. Und auch Hülkenberg war mit Platz 12 nicht ganz glücklich. Dass im Haas mehr Tempo drin steckte, sollte sein Teamkollege Kevin Magnussen in Q3 beweisen. Der dritte Durchgang hatte dann noch ein paar Überraschungen in petto. Wie üblich wollten die meisten Piloten zwei Versuche machen, um sich eine möglichst gute Ausgangsposition für den Grand Prix zu sichern. Angesichts der enormen Gripvorteile, die mit jedem gefahrenen Meter auf dem Asphalt größer wurden, war eigentlich jedem klar, dass die schnellsten Runden wohl gegen Ende der Session gefahren werden. Das ist immer und überall so, auf dem neuen Straßenbelag in Miami war dieser Effekt aber besonders groß. So diente der erste Versuch allen Piloten bestenfalls als Sicherheitsnetz, damit man schon einmal eine Runde gefahren und eine Zeit gesetzt hat. Einige Fahrer gingen zu diesem Zweck auch nur auf gebrauchten Reifen auf die Strecke und sparten sich einen frischen Satz für den allerletzten Versuch.
Max Verstappen hatte in seinem ersten Versuch allerdings einen kleinen Fehler drin, kam auf den schmutzigen Teil der Fahrbahn und konnte damit keine wirklich schnelle Zeit setzen. Anderen gelang der erste Versuch deutlich besser. Kevin Magnussen beispielsweise, der sich auf einem gebrauchten Satz Soft-Reifen mal eben auf Position vier setzte. Super Leistung vom Haas-Piloten. Aber es sollten ja alle noch einen #zweiten Versuch auf frischen Reifen bekommen. Nunja, sollten… denn zu Beginn seiner schnellen Runde geriet Charles Leclerc im Ferrari neben die Strecke und pfefferte seinen Boliden erneut in die Mauer. Die Session wurde umgehend mit einer roten Flagge gestoppt. Und kurz darauf kommunizierte die Rennleitung, dass sie auch nicht mehr fortgesetzt werden sollte. Es waren nur noch knapp mehr als 90 Sekunden bis zum Ende. Bei so wenig Zeit hätte es ohnehin niemand mehr geschafft, eine Aufwärmrunde zu absolvieren und dann noch eine gezeitete Runde dranzuhängen. So kam es also, dass sich faktisch kein Pilot mehr steigern konnte. Verstappen blieb auf Rang neun, Leclerc hatte bis dahin nur die siebtbeste Zeit aufgestellt und Magnussen behielt seinen vierten Rang! Von der Pole Position aus ging Sergio Perez ins Rennen, dahinter Alonso und Sainz. Drei Piloten, deren Muttersprache Spanisch ist, das gab es bisher auch noch nicht wirklich in der langen Geschichte der Formel 1. Aber was war diese Startaufstellung wert?
Die große Verstappen-Show
Um die Frage nach dem Wert der Startaufstellung kurz zu beantworten: Max Verstappen war es vermutlich völlig egal von wo aus er ins Rennen ging. Gefühlt hätte er auch mit einer Runde Rückstand starten können und hätte dennoch gewonnen. So dominant und unwiderstehlich war die Fahrt des Weltmeisters am Sonntag. Besonnen und kompromisslos knöpfte er sich einen Kontrahenten nach dem anderen vor und war bereits in Runde 15 an allen Piloten vorbeigezogen – mit Ausnahme seines Teamkollegen Perez, der das Rennen zu diesem Zeitpunkt anführte. Der Kampf um die Führung und schließlich den Sieg verlief dann relativ harmlos. Verstappen war auf der harten Reifenmischung gestartet, Perez auf Medium. Trotz dieses theoretischen Vorteils der weicheren Reifen konnte sich Perez aber im ersten Stint nicht großartig absetzen. Die zahlreichen Unwägbarkeiten, die es vor dem Rennen gab, spielten dabei eine Rolle. Wie eingangs erwähnt, regnete es in der Nacht vor dem Grand Prix heftig und all der Gummi, den die Piloten im Verlauf des Wochenendes auf den Asphalt gebrannt hatten, war wieder weg. Somit wusste de facto niemand zuverlässig, wie sich welche Reifenmischung verhalten würde. Dazu kamen Variablen wie der heftige Wind, sogar von einem möglichen Gewitter während des Rennens war immer wieder die Rede. Und natürlich war da noch die durcheinandergewürfelte Startaufstellung.
Verstappen war es vermutlich völlig egal. Gefühlt hätte er auch mit einer Runde Rückstand starten können und hätte dennoch gewonnen.
Quelle: imkreisfahren.de
Wie das Rennen bewiesen hat, lagen die meisten Piloten, die auf Medium gestartet sind und später auf die harten Reifen gewechselt haben, an diesem Rennsonntag falsch. Mit vollen Tanks und auf dem “grünen” Asphalt konnten die Mediums zu keinem Zeitpunkt wirklich guten Grip entwickeln, sie waren also kaum schneller als die harte Mischung. Zudem begannen die gelb markierten Pneus schneller zu körnen und abzubauen. Aus diesem Grund hatte Sergio Perez keine Chance gegen Verstappen. Dessen harte Reifen waren quasi unkaputtbar und ließen sich problemlos 40 Runden fahren, ohne dass die Rundenzeiten einbrachen. Auch bei den meisten anderen Piloten hielt der Hard beliebig lange und war dabei überaus konstant. Auch für Hamilton, Ocon, Tsunoda und Stroll erwies sich die Strategie als vielversprechend und allesamt machten ordentlich Plätze gut. Beide Ferrari waren hingegen auf Medium gestartet und verloren im Verlauf des Rennens Plätze (Sainz) bzw. konnten sich nicht nach vorne arbeiten (Leclerc). Am Ende überragten die Red Bull-Piloten den Rest des Feldes einmal mehr ganz deutlich. Alonso auf Rang drei lag satte 26 Sekunden hinter Rennsieger Verstappen. Auch in Miami waren die roten Bullen absolut unantastbar.
Schräge Statistiken
Insgesamt war dieser Miami-GP ein überaus sonderbares Rennen. Es gab beinahe 60 Überholmanöver, aber dennoch wirkte das Rennen selten spannend. Das lag vor allem daran, dass etliche schnelle Piloten von recht weit hinten starteten und viele Plätze gut machen konnten. Zum Beispiel die Herren Verstappen, Hamilton und Stroll. Einige der Manöver waren sehenswert, Verstappens Doppelschlag gegen Magnussen und Leclerc in einer Kurve sogar spektakulär. Dass der Weltmeister beide passieren würde, war aber lediglich eine Frage der Zeit, daher brachten selbst solche Aktionen kaum Würze rein. Für einen insgesamt flauen Geschmack sorgten auch folgende Statistiken: Ausnahmslos alle Fahrer waren auf einer Ein-Stopp-Strategie unterwegs. Entweder wechselten die Piloten dabei von Medium auf Hard oder Hard auf Medium. Einzig die zwei Mclaren-Fahrer spekulieren mit einem Start auf Soft wohl auf ein frühes Safety Car und einen langen Stint auf der harten Mischung. Außerdem gab es im gesamten Rennen keine einzige gelbe Flagge, keinen Unfall, keine rote Flagge, keinen einzigen Ausfall und nur eine winzige Strafe. Carlos Sainz verbremste sich bei der Zufahrt zur Boxengasse und war entsprechend schneller unterwegs als erlaubt (max. 80km/h), was eine 5-Sekunden-Strafe zur Folge hatte. Sonst ist aber einfach nichts passiert.
Wenig Licht, viel Schatten
Dennoch gibt es nach diesem Wochenende einige Gewinner und Verlierer. Insgesamt müssen natürlich neun der zehn Teams wirklich ranklotzen und ihre Hausaufgaben künftig entschieden besser machen, um Red Bull einen härteren Kampf um die Spitze liefern zu können. Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass es hinter den übermächtigen Bullen durchaus eng und spannend zur Sache geht. Über Ferrari und Mercedes haben wir schon ausführlich gesprochen. Aston Martin hält sich weiterhin wacker und Fernando Alonso hat an jedem Rennwochenende unglaublich konstant 15 Punkte geholt. Als er in Baku das Podium knapp verpasst hatte, kamen drei Punkte aus dem Sprint auf sein Konto und die kuriose Statistik fand mit Rang drei auch in Miami eine Fortsetzung. Bis dato hat Aston Martin übrigens keine nennenswerten Upgrades an den grünen Renner geschraubt. Diese kommen erst zum sechsten Rennen in Imola. Mal sehen, ob die die Mannschaft weiterhin als zweitstärkste Kraft behaupten kann.
Ein positives Wochenende hatte endlich mal die französische Nationalmannschaft von Alpine. Auch wenn es da lautes Gepolter von Konzernchef Laurent Rossi gab und sogar harte Konsequenzen angedroht wurden. Zu schlecht und amateurhaft sei die Leistung der Truppe in dieser Saison bisher insgesamt gewesen. Möglich, dass es mit Punkten für beide Piloten in Miami ab jetzt in eine gute Richtung geht für das “Team Enstone”. Sie entwickeln ja traditionell aggressiv und bringen laufend neue Teile ans Auto. Hoffen wir, dass es für Rossi schon bald weniger zu kritisieren gibt. Auch Haas präsentierte sich in Miami stark. Kevin Magnussen lieferte sich einige Runden lang einen sehenswerten Kampf mit Charles Leclerc. Für Hülkenberg war es ein etwas schwächeres Wochenende, das ja bereits mit einem Mauerkuss im ersten Training begonnen hatte. Trotzdem kann das Team zufrieden sein, Magnussen holte immerhin noch einen Punkt. Alpha Tauri, Williams und Alfa Romeo waren erneut eher anonym unterwegs und lieferten keine großen Schlagzeilen. Richtig übel war das erste USA-Rennen 2023 aber für McLaren. Nach den positiven Signalen in Baku und einem soliden Ergebnis wähnte sich die Mannschaft schon auf dem aufsteigenden Ast, in Miami kam ein herber Rückschlag. Sowohl im Quali als auch im Rennen waren beide McLaren einfach viel zu langsam. Auch mit den Upgrades von Baku produziert der MCL60 zu wenig Abtrieb und hat dabei zu viel Luftwiderstand. Somit ist der Rennwagen sowohl in den Kurven als auch auf den Geraden zu langsam. Man darf gespannt sein wie es für das Traditionsteam aus Woking in diesem Jahr weitergeht.
Fazit
FazitTOP:
- Die Atmosphäre und Promi-Dichte in Miami war wieder einmalig. Ob man das in dieser Form nun mag oder nicht sei jedem selbst überlassen, aber das Rennen sticht auf jeden Fall im Rennkalender heraus.
- Max Verstappen war über das Wochenende hinweg unantastbar und ließ sich auch vom Pech in der Qualifikation nicht irritieren. Die richtige Strategie und tolle Manöver machten ihn zu einem würdigen Sieger.
- Ein verrücktes Qualifying, ein Regenschauer in der Nacht vor dem Rennen und viele Variablen wie das Wetter und der Streckenzustand. Die Zutaten für einen super Grand Prix standen bereit …
FLOP:
- … aber so richtig kam das im Rennen nicht zusammen. Trotz vieler Überholmanöver ist gefühlt doch nichts passiert. Zu dominant waren vorne wieder die Red Bull, als dass echte Spannung hätte aufkommen können.
- McLaren war nach einem ermutigenden Ergebnis Baku nun wieder am Ende des Feldes unterwegs. Sowohl im Quali als auch im Rennen in Miami fehlte beiden Piloten einfach der Speed.
- Charles Leclerc hatte mit seinem Ferrari zu kämpfen und leistete sich am Freitag und im Quali am Samsatg jeweils einen Dreher. Kein gutes Wochenende für den Monegassen insgesamt.