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GP Reviews #16: Monza

Den Beitrag zum Monza-Rennen hier schreibe ich mit deutlich mehr Zeit für einen Rückblick als gewöhnlich. Immerhin sind schon mehr als zwei Wochen seit dem letzten Europa-Rennen der Saison 2022 vergangen. Somit hatte ich erheblich mehr Zeit alle Geschehnisse Revue passieren zu lassen und eventuelle Schlüsse zu ziehen. Gleichzeitig sind alle Details des Rennens natürlich auch schon etwas weiter weg. Mal sehen also was nach einer Weile an elementaren Ereignissen hängen geblieben ist. Bevor in wenigen Tagen das letzte Saisondrittel in Singapur anbricht, hier ein Blick zurück nach Italien.

Das unsägliche Ende

Ungewöhnlich, aber bei diesem Rennen lohnt es sich gleich zu Anfang über das unglückliche Ende zu sprechen. Der Monza-GP wurde nämlich nach einigem Hickhack hinter dem Safety Car beendet. Sehr zum Leidwesen der Fans an der Strecke und vor dem Bildschirm. Warum es anders leider nicht möglich war und wie genau es dazu überhaupt kam, erkläre ich weiter unten in diesem Beitrag. Hängen blieb auf jeden Fall ein sehr unbefriedigendes Ende eines unterhaltsamen Rennens. Und vielerorts kamen Erinnerungen an das Saisonfinale 2021 hoch, als eine ähnliche Situation ganz anders gehandhabt wurde. Ihr wisst es: auch damals waren die Fans nicht glücklich. Wie man es also macht, scheint es falsch zu sein… Jedenfalls ist seit Monza das Thema „Safety Car wenige Runden vor Rennende“ in aller Munde und mögliche Änderungen, Ideen und Vorschläge machen die Runde. Ob die Regelhüter wirklich tätig werden ist aktuell aber unklar. Aber kommen wir nach diesem kurzen Exkurs mal zum eigentlichen Rennwochenende. Dem letzten in Europa für dieses Jahr übrigens.

Startplatzchaos reloaded

Ein weiteres Thema, das mir vom Monza-Wochenende noch gut im Gedächtnis geblieben ist, ist die Tatsache, dass erneut viele Teams bewusst neue Motorenkomponenten in ihren Pool aufgenommen und gewechselt haben. Das ging natürlich wieder mit Strafen und Rückversetzungen in der Startaufstellung einher. Entsprechend undurchsichtig war die Situation nach dem Quali dann auch wieder. Alles andere als ideal für Zuschauer und Fans. Auch diesem Thema will sich die FIA wohl widmen und bessere Lösungen ausloten. Nötig wäre es wohl. Klar, ähnlich wie ins Spa, kann man auch in Monza verhältnismäßig gut überholen und eine Strafversetzung tut etwas weniger weh. Daher macht es für die Teams schon Sinn unter den geltenden Regularien bewusst bei so einem Rennen Strafen in Kauf zu nehmen. Dennoch weiß direkt nach der Qualifikation kaum jemand wie die Startaufstellung beim Rennen schlussendlich aussieht. Da muss entsprechend optimiert werden.

Fliegender Wechsel bei Williams

Die Qualifikation selbst war immerhin relativ spannend. Für den Traditionsrennstall Williams war es sogar vorher schon turbulent, aber aus gänzlich unangenehmen Gründen: Stammpilot Alex Albon klagte über Schmerzen und musste sich relativ spontan einer Blinddarm-OP unterziehen. Somit kam der Holländer Nyck de Vries (der am Freitag noch für Aston Martin unterwegs gewesen war) am Samstag zum Einsatz bei Williams und machte seine Sache auf Anhieb hervorragend. Nach dem ersten Quali-Abschnitt sind beide Haas und beide Aston Martins ausgeschieden. Und ein Williams. Allerdings der von Stammfahrer Nicholas Latifi. Der kurzfristig engagierte de Vries schaffte es auf Anhieb ins Q2 und konnte direkt sein erstes Quali-Duell gewinnen. Stark. Zwar war in Q2 dann auch für ihn Schluss, durch die zahlreichen Strafversetzungen startete Nyck de Vries den Grand Prix am Sonntag aber von Rang acht.

Der Kampf um die Pole war eine sehr knappe Kiste zwischen Ferrari und Red Bull – natürlich. Gut dabei waren aber auch beide Mercedes und beide McLaren, die an gleicher Stelle vor einem Jahr noch einen sensationellen Doppelsieg feiern konnten. Schlussendlich setzte sich Charles Leclerc beim Ferrari-Heimspiel ganz knapp vor Max Verstappen durch. Letzterer war aber einer der Piloten, die eine Strafe kassiert hatten und startete das Rennen letztendlich von Rang sieben. Dass der Startplatz einen Max Verstappen dieses Jahr nicht kümmert, haben wir in den letzten Rennen schon öfter gesehen. Sieg von Rang zehn in Ungarn. Sieg von Rang 14 in Spa. Warum sollte es in Monza also nicht von Platz sieben aus klappen?
Weitere prominente Fahrer, die den Italien-GP von ungewohnt weit hinten in Angriff nehmen sollten: Sergio Perez von P13. Carlos Sainz im zweiten Ferrari startete von Rang 18 und Lewis Hamilton gar nur von Platz 19. Das sollte doch für einen unterhaltsamen Nachmittag samt vielen Überholmanövern sorgen, oder? An der Spitze hingegen, wie erwähnt, Leclerc. Dahinter George Russell und beide McLaren. Bunt gemischt also, immerhin dafür sorgen die undurchsichtigen Strafversetzungen ganz erfolgreich.

Gewohntes Bild im Rennen

Der Start zum großen Preis von Italien lief dann weitgehend glatt und unspektakulär. Charles Leclerc kam gut vom Fleck. Die Attacke von Russell in Kurve eins konnte er abwehren und sich gleich ein Stück absetzen. Max Verstappen lag nach einer Runde schon auf Position vier und ließ keine Zweifel aufkeimen, dass er hier um den Sieg mitfahren wollte. Dahinter zeigten auch Perez, Sainz und Hamilton viele schöne Manöver und pflügten relativ mühelos durch das Feld. Herbe Enttäuschung dann in Runde zwölf: Sebastian Vettel beendet das letzte Europa-Rennen seiner Formel-1-Karriere frühzeitig mit einem defekten Boliden. Probleme mit dem Antrieb sorgten für den Ausfall, der ein VSC (virtual safety car) nach sich zog und den ein oder anderen zu einem Boxenstopp verführte. Charles Leclerc zum Beispiel. Der Plan ging aber nur bedingt auf, denn als der Ferrari gerade frische Sohlen verpasst bekam, wurde das Rennen wieder freigegeben. Die relative Zeitersparnis war also überschaubar. George Russell machte aus Prinzip das Gegenteil von Leclerc und mogelte sich so am Monegassen vorbei. In Führung lag zu diesem Zeitpunkt aber schon Max Verstappen, der noch nicht gestoppt hatte.

Fortan entwickelte sich ein strategisch interessantes Rennen, das viele Varianten bezüglich der Reifenfolge anzubieten hatte. Alle drei Reifenmischungen kamen im Rennen zum Einsatz. Einige Fahrer wie z.B. Sergio Perez hatten im Verlauf des Rennens selbst jede Mischung einmal am Auto. Viele Wege führten also zum Ziel und es blieb spannend welche Strategie sich am Ende als optimal erweisen sollte. Diese Frage konnte allerdings nicht abschließend beantwortet werden, da Daniel Ricciardos McLaren in Runde 47 den Rennverlauf auf den Kopf stellen sollte. Nur eine Anmerkung zur Reifenstrategie noch: drei Stopps (soft, medium, soft, soft) bei Charles Leclerc waren definitiv NICHT das Optimum. Einmal mehr hat sich Ferrari da verspekuliert. Beziehungsweise vom VSC nach dem Vettel-Ausfall zu früh aus der Reserve locken lassen. Ach Ferrari…

Im Gänsemarsch ins Ziel

Der Defekt am McLaren sorgte dann für das Safety Car, hinter dem das Rennen leider auch beendet werden sollte. Aber warum hat man es nicht geschafft in sieben Runden einen gestrandete Boliden aus dem Weg zu räumen und das Rennen wieder freizugeben? Nun, mehrere unglückliche Faktoren griffen hier ineinander. Der Wagen kam an einer unglücklichen Stelle zum Stehen, die von Bergungskränen nicht gut erreichbar ist. Ricciardo hatte aber keine Wahl, da sein McLaren im dritten Gang feststeckte und sich nicht mehr fortbewegen ließ. Auch von den Streckenposten nicht. Zudem wurde das Safety Car umgehend auf die Strecke gelassen und setzte sich zunächst vor George Russel und nicht vor den Führenden Verstappen. Das sorgte hinterher für Durcheinander als die Strecke dann mal wieder freigeräumt war. Es blieb nicht mehr genug Zeit um alle Überrundeten wieder aufschließen zu lassen und die eigentliche Reihenfolge herzustellen. Somit ging das Rennen dann eben hinter dem SC zu Ende und niemand war so richtig glücklich. Aber alle Regeln wurden korrekt befolgt. Übrigens auch, dass nicht einfach eine rote Flagge geschwenkt wurde um das Rennen zu unterbrechen und dann für wenige Runden wieder freizugeben. Diese Maßnahme ist nur für Fälle vorgesehen, die es unmöglich machen die Strecke weiter zu befahren. Viele Trümmerteile nach einem Unfall z.B. oder verbogene Leitplanken, die die Sicherheit nicht mehr gewährleisten können. Alles korrekt also.

Keine Party in Rot

Ahja, wer hat denn nun gewonnen? Natürlich hat es Max Verstappen souverän geschafft den Tifosi den Heimsieg ihrer Scuderia zu versauen. Immerhin schaffte es Leclerc noch auf Platz zwei, das Podium komplettierte letztendlich George Russell. Bunt gemischt also, so soll es ja sein. Durch seine Siegesserie kann Max Verstappen jetzt theoretisch schon beim nächsten Rennen in Singapur den Deckel drauf machen und sich zum Doppelweltmeister krönen. Das nimmt der Saison leider einiges an Spannung, aber verdient ist es allemal. Ahja, apropos verdient: viel Lob verdiente sich auch Albon-Ersatzmann Nyck de Vries. Nach dem tollen Quali am Samstag, hat er es tatsächlich auch geschafft direkt bei seinem Debüt Punkte zu holen. Zwei um genau zu sein für Platz neun in der Gesamtwertung. Nunja, das sind dann zwei mehr als Nicholas Latifi bisher errungen hat. Direkt nach dem Rennen wurden bereits Rufe laut, dass de Vries spätestens für kommendes Jahr das Cockpit bekommen soll und die Karriere von Nicholas Latifi besiegelt sei. Immerhin letzteres hat sich mittlerweile als korrekt rausgestellt. Williams bestätigte, ebenso wie Latifi selbst, dass er 2023 nicht mehr für Williams fahren wird. Wo Nyck de Vries am Ende landet steht hingegen noch in den Sternen. Seine Dienste sind spätestens seit Monza bei einigen Teams gefragt…

Fazit

Fazit
4 5 0 1
4/5
Good

TOP:

  • Starkes Debüt von Nyck de Vries im Williams. Musste spontan für Alex Albon einspringen und hat neben einem sehr guten Quali direkt zwei Punkte mitgenommen. Eine prima Vorstellung.
  • Max Verstappen gewinnt schon wieder trotz einer Startplatzstrafe. Es läuft einfach wie geschmiert und schon beim kommenden Rennen kann er auch rechnerisch Weltmeister werden.
  • Trotz eines Ausfalls im Rennen war Daniel Ricciardo endlich mal wieder gut bei der Musik. Immer im Dunstkreis seines Teamkollegen unterwegs hätte es ohne den Defekt sicher zu guten Punkten gereicht.

FLOP:

  • Das unbefriedigende Ende des Rennens hinter dem Safety Car löste allerlei lebhafte Diskussionen aus. Grundsätzlich richtig und regelknoform, aber natürlich schade für alle Fans, die um einen Endspurt gebracht wurden.
  • Nicholas Latifi wurde vom starken Nyck de Vries endgültig entzaubert und muss seinen Platz bei Williams räumen.
  • Sebastian Vettel beendet das letzte Europarennen seiner Karriere vorzeitig mit einem kaputten Auto. Auch was das Tempo angeht waren beide Aston Martin in Monza unterirdisch unterwegs. Keine würdige Abschlusstour.

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