Dass die Verstappen-Festspiele auch beim Heimspiel des Weltmeisters weitergehen würden, haben sich die meisten Fans an der Strecke gewünscht. Und die meisten Experten hatten auch nichts anderes erwartet als eine weitere dominante Vorstellung des Red-Bull-Piloten. Ganz so geradlinig verlief das Zandvoort-Wochenende aber nicht und bot bisweilen kuriose Szenen und sogar Anlass für Verschwörungstheorien. Zudem den ersten wirklichen Dreikampf auf der Strecke. Sowohl im Quali, als auch im Rennen am Sonntag waren – neben den üblichen Verdächtigen Red Bull und Ferrari – beide Mercedes gut dabei. Blicken wir nochmal zurück auf ein rauschendes Fest in Orange!
Ein holpriger Beginn
Zumindest aus Sicht von Max Verstappen ging das Wochenende auf der Strecke mäßig gut los. Im ersten freien Training stoppte er mit einem Getriebeproblem und verlor wertvolle Zeit. Nur sieben Runden konnte der Lokalmatador zurücklegen – mit großem Abstand die wenigsten. Viel besser lief es hingegen bei den Silberpfeilen. Die grüßten am Ende des ersten freien Trainings von Platz eins und zwei. Auch für McLaren sah es zu diesem Zeitpunkt nach einem guten Wochenende aus. Norris auf Rang vier, direkt dahinter Teamkollege Daniel Ricciardo. Das zweite Training am Freitag sah dann plötzlich eine Ferrari-Doppelspitze. Mercedes weiterhin vorne dabei, McLaren immerhin mit dem Auto von Norris ordentlich unterwegs, beide Red Bull hingegen enttäuschend. Rang acht für Verstappen, Perez gar nur auf Platz zwölf. Aber die Frühform am Freitag hat nur bedingte Aussagekraft. Am Samstag wird es ja bekanntlich erst so richtig ernst.
Die Vögel – Teil 1
Bereits am Morgen im dritten freien Training zeichnete sich ab, was den Rest des Wochenendes Programm sein würde: ein heißer Dreikampf an der Spitze. Ferrari vor Mercedes vor Red Bull hieß es auf den Plätzen eins bis drei und ebenso dahinter auf Rang vier bis sechs. Und dazwischen lag nur eine gute halbe Sekunde. Unter diesen Vorzeichen ging es nachmittags in die Qualifikation. Große Enttäuschung in Q1 für Ricciardo, der schlussendlich nur auf Platz 17 landete. Auch Sebastian Vettel kam nicht in das zweite Quali-Segment. Ihm unterlief am Ende der entscheidenden Runde ein kleiner Fehler, der einen Abflug ins Kiesbett zur Folge hatte. Rang 19. Autsch. Q2 begann dann direkt mit einem Aufreger. Alex Albon umrundete den Kurs einsam und bereitete sich auf eine schnelle Runde vor, als plötzlich die rote Flagge gezeigt wurde. Was war passiert? Nun, irgendein sogenannter „Fan“ hielt es für eine ausgezeichnete Idee einen Bengalo auf die Strecke zu werfen. Argh! Wie bekloppt muss man denn bitte sein? Irgendwie häufen sich in diesem Jahr die Vorfälle mit Fans an der Strecke, denen wohl nicht ausreichend Erziehung zuteil geworden ist. Die Formel 1 als Ganzes hat diesen Vorfall dann auch im Nachhinein aufs schärfste verurteilt. Der „Werfer“ konnte wohl ausfindig gemacht werden und ist hoffentlich mit großem Karacho von der Tribüne geflogen. Nicht der letzte schräge Vogel allerdings…
Die Vögel – Teil 2
Tatsächlich waren im Verlauf des Wochenendes auch immer wieder sehr furchtlose Tauben am Streckenrand zugegen. Offensichtlich hat jemand in der Nähe von Kurve sieben sehr leckeres Vogelfutter verstreut, so dass die gefiederten Kollegen mehrfach im Gras direkt neben der Fahrbahn rumpickten, während ein, zwei Meter entfernt Formel-1-Boliden vorbeiheizten. Streckenposten versuchten mehrfach die Taubenfamilie zu verscheuchen – mit mäßigem Erfolg. Twitter war jedenfalls voll von großartigen Memes und Kommentaren zu der verrückten Vogelbande und am Ende des Tages ist zum Glück niemandem etwas passiert. Reichlich kurios war dieser Vorfall natürlich dennoch. Weniger kurios, aber einfach unerfreulich lief das Q2 für die Alpine-Piloten. Beide schafften es nicht ins Q3 einzuziehen und starteten von P12 (Ocon) respektive P13 (Alonso). Ebenfalls raus waren Pierre Gasly, Alex Albon und Zhou Guanyu. Überraschend unter den besten zehn: Yuki Tsunoda mit einer guten Runde und Mick Schumacher, der eine sehr gute Leistung zeigte und den Kampf um den Verbleib in der Formel 1 sicher noch nicht aufgegeben hat. Der Kampf um die Pole Position bot in den letzten Minuten jedenfalls eine Menge Spannung. Es ging heiter hin und her. Ferrari schien die Oberhand zu behalten, ehe Max Verstappen mit einer flotten Runde in den letzten Sekunden doch noch vor den Roten landen konnte. Sergio Perez drehte sich auf seinem letzten Versuch, löste damit eine gelbe Flagge aus und vereitelte dadurch die Chancen der Mercedes-Piloten auf eine bessere Platzierung. Sehr zum Ärger von Toto Wollf, der fest davon überzeugt war, dass seine beiden Fahrer eine realistische Chance auf die Pole hatten.
Maximale Kontrolle
Das Rennen gestaltete sich über die ersten gut zwei Drittel relativ ereignislos. Verstappen kam am Start gut weg und fuhr an der Spitze einsam seine Kreise. Hamilton hatte eine kurze Schrecksekunde, als er in Kurve eins eine kleine Berührung mit dem Ferrari von Carlos Sainz hatte. Nichts passiert, es ging für beide Piloten weiter. Sainz bzw. seine Ferrari-Truppe sorgte im Lauf des Nachmittags aber für allerlei Kuriositäten. So warteten beim ersten Stopp nur drei Reifen auf den Spanier in der Box. Erinnerungen an einen Pannen-Stopp bei Eddie Irvine 1999 am Nürburgring wurden da bei einigen Fans wach. Auch damals waren nur drei Reifen bereit, auch damals bei Ferrari… maximal merkwürdig! Sainz verlor also einen Haufen Zeit und jegliche Chancen auf einen Sieg. Zudem ließen die Mechaniker den Schlagschrauber links hinten ungeschickt im Weg liegen und Sergio Perez, der zeitgleich mit Sainz gestoppt hatte, fuhr drüber. Auch dabei ist zum Glück nichts weiter passiert und alle konnten unbeschadet weitermachen. Sainz wurde im Laufe des Rennens noch mit einer Strafe belegt, weil seine Mechaniker ihn beim nächsten Stopp zu früh wieder auf die Strecke geschickt haben. „Unsafe release“, fünf Sekunden Zeitrafe, bittesehr. Einmal mehr: Pleiten, Pech und Pannen bei den Roten. So kann man keine Weltmeisterschaft gewinnen. Langsam müssen sich die Ferraristi auch nach hinten orientieren und um den zweiten Gesamtrang fürchten. Der Mercedes wird immer besser und die Silberpfeile leisten sich keine Fehler, sondern punkten sehr konstant. Der Zug vorne ist für Ferrari sicher abgefahren, Red Bull ist der Konstrukteurs-Titel kaum noch zu nehmen.
Die Tsunoda-Verschwörung
Aber zurück zum Rennen: In Runde 44 eine weitere Kuriosität. Yuki Tsunoda war nach einem Boxenstopp sehr langsam unterwegs, fuhr neben die Strecke und beschwerte sich am Funk darüber, dass seine Reifen wohl nicht ordnungsgemäß befestigt worden waren. Das Team konnte aber keinen Fehler in den Daten erkennen und hielt den Japaner an doch weiterzufahren. Der hatte seine Gurte schon etwas gelockert und war fest davon überzeugt das Rennen schon aufzugeben. Er fuhr dann doch weiter und in diesem Zustand langsam erneut in Richtung Box. Nachdem seine Sicherheitsgurte wieder festgezurrt worden waren und alle Checks an der Box ergebnislos verlaufen sind, wurde Tsunoda wieder auf die Strecke geschickt. Nur um wenige Meter später über ein defektes Differential zu klagen und den Wagen doch abzustellen. Seltsam, aber so weit halbwegs nachvollziehbar. Der Vorfall löste allerdings ein Virtual Safety Car aus. Zum perfekten Zeitpunkt für Verstappen, der in dieser Phase an die Box kam und weniger Zeit gegenüber der Konkurrenz verlor. Das rief einige Verschwörungstheoretiker auf den Plan, die Alpha Tauri und der Red Bull-Chefstrategin nach dem Rennen via Social Media übelste Vorwürfe machten. Es gibt unzählige Hinweise darauf, dass diese Theorien Kokolores und ersponnen sind, aber was interessiert solche Spinner schon die Realität? Jedenfalls brachte dieser Vorfall für das letzte Renndrittel noch etwas Spannung rein. Beide Mercedes lagen aussichtsreich vorne und wollten Verstappen den Heimsieg noch streitig machen. Auch sie kamen beide unter dem VSC an die Box und zogen frische Mediums auf, die bis zum Ende reichen sollten.
Spannender Schlussspurt
In Runde 55 nahm das Rennen abermals eine unerwartete Wendung. Der Alfa Romeo von Valtteri Bottas rollte auf der Start/Ziel-Geraden langsam aus und verursachte ein richtiges Safety Car. Wer würde nun wie reagieren?! Draußen bleiben, Position halten und mit den montierten Reifen zu Ende fahren oder nochmal kurz an die Box, frische Sohlen drauf und volle Attacke? Es waren sich nicht alle einig. Verstappen kam rein, opferte seine Führung und ging auf Soft-Reifen. Hamilton blieb auf Mediums draußen und ging vorbei an Verstappen in Führung. George Russell folgt dem Beispiel des Weltmeisters und zog ebenso weiche Reifen auf. So wie die meisten Fahrer in der Spitzengruppe. Beim Re-Start machte Max Verstappen auch sofort kurzen Prozess mit Lewis Hamilton und setzte sich umgehend wieder an die Spitze. Gnadenlos. Und im Prinzip war es das dann auch mit der Spannung im Grand Prix. Hamilton wurde in den letzten Runden noch auf Rang vier durchgereicht. Neben dem Sieger Max Verstappen landete Russell auf Rang zwei und Leclerc auf dem dritten Platz. Kleiner Erfolg für Ferrari, aber wie Teamchef Mattia Binotto nach dem Rennen zugeben musste: die Pace für einen Kampf um den Sieg war nicht da. Das macht den Roten vor dem Heimspiel in Monza berechtigterweise Sorgen.
Und sonst so?
Hinter der Spitze war es im Rennen auch eher mäßig spannend. Positiv zu erwähnen sind beide Alpine-Fahrer, die aus ihren relativ schlechten Startpositionen noch gute Punkte holen konnten. Beide landeten in den Top10 und fügten McLaren im Kampf um Platz vier in der Konstrukteurswertung eine weitere, herbe Niederlage zu. Daniel Ricciardo ging im Rennen völlig unter und wurde nach insgesamt fünf Boxenstopps vorletzter. Immerhin sammelte Lando Norris mit Rang sieben ein paar Punkte für McLaren. Für Mick Schumacher lief es ebenfalls eher durchwachsen. Nach Problemen beim ersten Boxenstopp fand sich der junge Deutsche im Mittelfeldgetümmel wieder und fand da bis zum Ende des Rennens keinen Weg raus. Rang 13 und keine Punkte, aber fahrerisch dennoch eines seiner besseren Rennen in diesem Jahr. Die Formkurve zeigt nach oben. Hoffentlich reicht das um auch nächstes Jahr ein Cockpit zu finden. Die Zeichen verdichten sich, dass bei Haas kein Platz für ihn mehr sein könnte. Womöglich könnte aber Audi ein Interesse daran haben einen Deutschen Piloten im Feld zu haben und die ein oder andere Tür öffnen. Man wird sehen… Zandvoort 2022 wird jedenfalls nicht als das interessanteste Rennen der Geschichte in Erinnerung bleiben. Und wäre die verrückte Schlussphase nicht gewesen, hätte ich bestenfalls eine 2/5 gezückt. Die ersten knapp 50 Runden waren schon etwas zäh. So toll und einmalig die Strecke und die Atmosphäre am Meer ist: richtig gutes Racing haben wir da noch nicht gesehen. Hoffen wir vielleicht auf das kommende Jahr. Oder auf Monza, wo schon in wenigen Tagen gefahren wird!
Fazit
FazitTOP:
- Beide Mercedes im Kampf um den Sieg dabei. So langsam finden die Silberpfeile den Anschluss und könnten Ferrari in der WM noch abfangen.
- Red Bull und vor allem Max Verstappen einmal mehr unschlagbar. Knappe Pole Position und ein Sieg vor den heimischen Fans. Weltmeisterlich!
- Lebenszeichen von Mick Schumacher. Starkes Quali mit P8 am Ende. Im Rennen durch vergeigte Boxenstopps unverschuldet außerhalb der Punkte.
FLOP:
- Daniel Ricciardo war bereits am Samstag völlig von der Rolle. Im Rennen dann mit insgesamt fünf Boxenstopps hinten im Feld unterwegs. Bitter.
- Kein Rennen ohne Pannen bei Ferrari. In Zandvoort klebte Carlos Sainz das Pech an den Hacken. Nur drei Reifen beim Boxenstopp, Strafe wegen eines „unsafe release“ und grundsätzlich im Rennen nicht schnell genug.
- Fans, die Pyrotechnik auf die Strecke werfen, sorgten am Samstag für einen Abbruch der Quali-Session. Wie bekloppt kann man denn eigentlich sein? Einfach nur gefährlich und dumm sowas.