Die Formel 1 ist zurück! Nach vier Wochen Sommerpause gab es am vergangenen Wochenende endlich wieder Action auf der Rennstrecke. Mit dem Grand Prix von Belgien stand dann auch noch ein Liebling vieler Fans und Fahrer auf dem Programm. Die Ardennenachterbahn hat über viele Jahrzehnte hinweg für großartigen Rennsport gesorgt, aber auch für dramatische Augenblicke. Die komplette Bandbreite an Emotionen schwingt also immer mit, wenn man an die legendären Kurven denkt, die den Kurs zu einer so einmaligen Rennstrecke machen: La Source, Eau Rouge, Raidillon, Pouhon und wie sie alle heißen… die Herzen eines jeden Rennfans schlagen da höher. Umso unverständlicher ist es, dass der Grand Prix grundsätzlich auf der Kippe steht. Obwohl viele Passagen für 2022 umfassend überarbeitet wurden. Dass das Rennen auch 2023 im F1-Kalender steht, wurde zwar kurz vor dem Start des diesjährigen Grand Prix bekanntgegeben. Allerdings liegt das vermutlich daran, dass es in Südafrika Schwierigkeiten gibt und die Rückkehr nach Kyalami sich wohl um ein Jahr verschiebt. Wie es um den Grand Prix von Belgien langfristig steht, ist also weiter ungewiss. Eine ziemliche Schande meiner Meinung nach. Spa ist einer der besten Orte, die ich je besuchen durfte. Und das Streckenprofil gepaart mit der langen Historie machen dieses Rennen zu einem absoluten Eckpfeiler der F1-Weltmeisterschaft. Neben Silverstone, Monza, Monaco. Aber konzentrieren wir uns auf das diesjährige Event. Da gibt es schließlich auch Bemerkenswertes zu berichten.
Gemischtes Ardennenwetter
Der Trainingsfreitag bot einen kleinen Querschnitt durch das Spa-eigene Mikroklima. So kam jeweils gegen Ende der Trainingssitzungen ein bisschen Regen runter, der für einige Ausritte und Quersteher sorgte. Kein Vergleich aber zum Vorjahr, als sintflutartiger Regen am Renntag eben ein Rennen verhindert hatte. Die Zuschauer sind in Belgien ohnehin alle vier Jahreszeiten gewohnt und waren zu großen Teilen bestens vorbereitet auf ein bisschen Regen. Sportlich sah es zunächst nach einem spannenden Wochenende nach dem üblichen Schema aus. Ferrari lag im ersten freien Training noch vor Red Bull. Dahinter eine bunte Mischung ohne echte Hinweise auf das Kräfteverhältnis nach der Sommerpause. Das zweite freie Training zeigte dann schon deutlicher wohin die Reise an diesem Wochenende gehen sollte: Max Verstappen einsam an der Spitze. Leclerc saftige 0.862s dahinter. Das sind in der Formel 1 Welten. Aber gut, es war ja nur ein freies Training, der Samstag würde schon ein anderes Bild zeichnen, oder? Zudem war bekannt, dass sowohl Leclerc, als auch Verstappen – neben einer ganzen Reihe weiterer Piloten – das Rennen von weit hinten würden aufnehmen müssen. Da man in Spa verhältnismäßig gut überholen kann, entschieden sich viele Teams dazu in Belgien viele neue Motorenkomponenten zu tauschen und entsprechende Strafen in Kauf zu nehmen.
Wer startet wo?
Die Regeln, die bestimmen wer unter welchen Umständen wann wie viele Strafplätze in Kauf nehmen muss oder generell „at the back of the grid“, also von ganz hinten starten muss, sind überaus kompliziert. Ich will euch hier nichts vormachen: ich habe mir noch nie die Mühe gemacht wirklich alle Varianten und Winkelzüge im Detail zu verstehen. Ich vertraue darauf, dass die Regelhüter ihre eigenen Regeln halbwegs verstehen und nehme anschließend die Startaufstellung dann so hin, wie sie kommuniziert wird. Und hoffe darauf, dass diese Regeln künftig entschieden vereinfacht werden. Mit dieser mentalen Bürde ging es am Samstag dann in ein spannendes Qualifying. Im Prinzip war klar, dass die Pole Position ein Zweikampf zwischen Sergio Perez und Carlos Sainz werden würde, falls keine großen Dramen passieren. Insgesamt lief die Session dann etwas merkwürdig, weil gut ein Drittel des Feldes ohnehin mit Startplatzstrafen kalkulierte und nicht mit vollem Tempo dabei war. Eine beeindruckende Konstante hatte das Quali dann aber doch: die bestechende Form von Max Verstappen. Auch er ließ es eigentlich relativ gemütlich angehen, fuhr in allen Abschnitten nur eine gezeitete Runde und war dennoch meilenweit vorne. De facto holte er am Ende auch Pole Position. Mit satten sechs Zehnteln Vorsprung auf Carlos Sainz im Ferrari auf Rang zwei. Nach diesem Auftritt waren sich die meisten Experten sicher, dass Verstappen das Rennen am Sonntag auch gewinnen würde. Ganz gleich von welcher Startposition.
Zwei Überraschungen gab es in der Qualifikation dann aber doch noch. Alex Albon war im Williams sensationell unterwegs. Ein Setup für maximale Geschwindigkeit auf den Geraden und der traditionell effiziente Charakter des Williams spülten Albon ins Q3 und defacto auf den sechsten Startplatz für das Rennen am Sonntag. Eine richtig gute Leistung und hervorragende Aussichten auf Punkte für das Rennen. Die zweite Überraschung war die großartige Form der Alpine. Zwar musste auch Esteban Ocon das Feld von hinten aufrollen, weil an seinem Boliden ebenfalls Motorenkomponenten getauscht worden waren. Aber Teamkollege Alonso konnte den Grand Prix am Sonntag von Rang drei unter die Räder nehmen. Die blauen Raketen aus Frankreich gingen auf jeden Fall richtig gut. Vorne ging es dann also folgendermaßen ins Rennen: Sainz vor Perez und Alonso, Hamilton, Russell und der bereits lobend erwähnte Albon. Die beiden Titelaspiranten Verstappen und Leclerc sollten von Rang 14 respektive 15 starten. Beide rutschten kurz vor Rennbeginn dann noch einen Platz nach vorne, da der Aplha Tauri von Pierre Gasly Probleme machte und nicht anspringen wollte. Gasly musste kurzfristig aus der Boxengasse losfahren, konnte aber den Grand Prix in Angriff nehmen.
Ein Hauch von Mario Kart
Die Geschichte des Rennens ist im Prinzip schnell erzählt. Es war nicht der spannendste Grand Prix aller Zeiten. Max Verstappen war – erwartungsgemäß – absolut unantastbar und lungerte schon lange vor Rennmitte auf Platz eins rum, den er bis zum Ende auch nicht abgeben sollte. Niemand hatte gegen den fliegenden Holländer den Hauch einer Chance. Nicht einmal Perez im gleichen Auto. Das war eine gewaltige Machtdemonstration und ein weiterer, großer Schritt in Richtung Titelverteidigung für Verstappen. Eines der dominantesten Rennen, die ich seit langem gesehen habe jedenfalls. Da gibt es nichts zu rütteln. Und Leclerc? Achja, Charles Leclerc ist einfach der Pechvogel der Saison. Das Rennen in Spa lieferte dafür eindrucksvolle Beispiele. Kurz nach dem Start gerieten Hamilton und Alonso am Ende der Kemmel-Geraden aneinander und verkeilten sich. Hamiltons Mercedes hob ein Stück weit ab und knallte unsanft auf den Asphalt. Alonso konnte weiterfahren. Hamilton versuchte es auch, aber aus dem Heck seines Silberpfeils strömte Öl und einige andere Flüssigkeiten. Wenige Kurven später musste er aufgeben. Verstappen und Leclerc pflügten da schon im Tandem durch das Feld und wollten zügig Plätze gut machen. Achtung, jetzt kommt die erste Slapstick-Einlage: Verstappen bekam eine große Ladung der Flüssigkeiten von Hamiltons Wagen auf den Helm, riss eines seiner Abreißvisiere ab und warf es weg. Wie das jeder Fahrer seit Jahrzehnten so macht, wenn ein Visier verschmutzt ist. Der Vorfall zwischen Hamilton und Alonso, so wie eine daraus resultierende Keilerei mit Nicholas Latifi und Valtteri Bottas, rief das Safety Car auf den Plan und zu Beginn der dritten Runde bog Charles Leclerc an die Box ab. Aha, wieder so ein Geniestreich der Strategieabteilung bei Ferrari dachten alle. Weit gefehlt! Die Temperaturen in der rechten, vorderen Bremsbelüftung gingen nach oben, weil sich dort etwas verfangen hatte. Naaaa?? Ahnt ihr was es war? Tatsächlich das Abreißvisier von Max Verstappen. Unfassbar! Wie viel Pech kann man denn bitte haben? Es kursieren Onboard-Videos im Netz, die dieses unglaubliche Kunststück beweisen. Es war wirklich als hätte Verstappen, ganz wie bei einer Partie Mario Kart, seinem Verfolger gezielt mit einem Schildkrötenpanzer geschadet. Kannste dir nicht ausdenken…
Die Leiden des jungen L.
Aber das war noch nicht alles. Im Rennverlauf wurde Charles Leclerc dann kurzerhand selbst als Stratege eingespannt, indem er seinem Renningenieur doch beantworten sollte, welcher Reifen für den kommenden Boxenstopp wohl der beste sei. Die Kommentatoren im Britischen Fernsehen lobten scherzhaft die Multitasking-Fähigkeiten von Leclerc, der gleichzeitig ein Formel-1-Rennen bestritt und nebenbei noch lustige Multiple-Choice-Fragen beantwortete. Wahrlich keine Glanztaten am Ferrari-Kommandostand mal wieder. Und am Ende versuchte man dann noch einen Punkt für die schnellste Rennrunde abzusahnen und sah auch dabei mehr als unglücklich aus. Leclerc lag gegen Rennende auf einem sicheren fünften Platz. Die Idee: ein schneller Boxenstopp, weiche Reifen, eine Runde zum Laden der Batterie und Aufwärmen der Walzen und in der letzten Runde dann die Attacke auf die Bestzeit. Nunja… der Boxenstopp war okay, Leclerc landete aber bei der Ausfahrt knapp hinter Fernando Alonso. Da haben die Strategen wohl etwas zu optimistisch kalkuliert. Statt also die Reifen ins optimale Fenster zu bringen und die Batterie aufzuladen, musste Leclerc schnellstmöglich einen Weg an Alonso vorbei finden um in der letzten Runde freie Fahrt zu haben. Er kam vorbei, aber der Angriff auf die Bestzeit verpuffte. Doch damit nicht genug! Beim Boxenstopp hatte Leclerc das Tempolimit in der Boxengasse überschritten und wurde prompt mit einer 5-Sekunden-Strafe belegt. Landete also hinter Alonso auf Rang sechs. Das volle Ausmaß des Dramas wird deutlich, wenn man sich ansieht, dass Leclerc das Limit um genau 1km/h überschritten hat. Ein einziger Stundenkilometer… argh… auch dieser Fehler kam übrigens zustande, weil das Visier von Verstappen zusätzlich noch einen Sensor beschädigt hat, der die Geschwindigkeit in der Boxengasse justiert. Die volle Packung also für Leclerc, der nach Spa jetzt satte 98 Punkte hinter Verstappen zurückliegt. Da brennt wirklich nichts mehr an.
Das Rennen im Rennen
Wie erwähnt, wird die 2022er Ausgabe des Belgien-GP nicht als Thriller in die Geschichte eingehen. Einige gute Momente hatte das Rennen dann aber doch. Klar, die erwartete Aufholjagd von Verstappen war ein Highlight. Aber bisweilen wirkte es, als würde Verstappen ein Videospiel auf der PlayStation zocken und hätte dabei den leichtesten Schwierigkeitsgrad eingestellt. Er bretterte so mühelos an der Konkurrenz vorbei und setzte sich derart souverän vorne ab… das löste bei mir beim Zuschauen eher Mitleid mit allen Kontrahenten aus. Esteban Ocon war ebenfalls von weit hinten (P16) gestartet und musste sich schon mehr anstrengen um etwas Zählbares mitzunehmen. Auf seiner Fahrt zu einem soliden siebten Platz, zeigte der Franzose einige spektakuläre Überholmanöver und schaffte dabei das Kunststück gleich zwei Fahrer in einem Zug zu überholen. Und das gleich zwei mal! Richtig gutes Racing und perfekter Opportunismus. Sebastian Vettel hielt ebenfalls gut mit und zeigte eine starke Leistung, die am Ende mit Rang acht belohnt wurde. Weiter vorne konnte sich Perez gegen der Ferrari von Carlos Sainz durchsetzen und machte damit einen weiteren Red-Bull-Doppelsieg klar. George Russell hält weiter seine starke Serie am Laufen: in jedem Rennen, das der junge Brite dieses Jahr beendet hat, landete er immer unter den Top5. Auch für Alex Albon hatte der Belgien-GP ein Happy End parat und er schaffte es durch eine defensiv exzellente Fahrt noch auf Rang zehn. Und holte damit wieder einen Punkt. Für McLaren und Haas gab es leider kein Happy End. Beide Teams taten sich ungemein schwer in Spa. Die Fahrzeuge passen konzeptionell nicht zu dem Streckentyp und folglich gab es auch keine Punkte. Ohne Punkte ging außerdem nur noch Alfa Romeo nach Hause. Bottas war ja direkt in Runde eins aus dem Rennen. Für Zhou Guanyu reichte es nur zu Rang 14 am Ende. Folglich waren in den Top10 sieben verschiedene Teams vertreten. Auch mal eine nette Statistik…
Fazit
FazitTOP:
- Max Verstappen hat das Wochenende dominiert und sich auch von einer Strafversetzung nicht aus der Ruhe bringen lassen. In dieser Form wirkt er in Kombination mit seinem Red Bull schlicht unbesiegbar.
- Esteban Ocon zeigte einige tolle Manöver. Gemeinsam mit seinem Teamkollegen Alonso eine insgesamt sehr solide Vorstellung von Alpine.
- Spa Francorchamps bleibt mindestens ein weiteres Jahr im Kalender. Danke! Und jetzt bitte fix einen langfristigen Vertrag eintüten!
FLOP:
- Hamilton zeigte einen seiner sehr seltenen Fehler. Im Rennen war der Mercedes stark und Platz vier wäre sicher drin gewesen.
- McLaren mit beiden Autos im Nirgendwo. Immerhin waren wieder einige Updates am MCL36. Hoffentlich bringen diese das Team wieder etwas näher ran.
- Undurchsichtige Regeln in Zusammenhang mit Strafversetzungen machten die Startaufstellung nur für ausgewiesene Regelexperten nachvollziehbar. Bitte für die Zukunft vereinfachen!