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GP Reviews #11: Österreich

Das zweite Sprint-Wochenende dieser Saison fand auf dem Red-Bull-Ring statt und bescherte allen Formel 1-Fans so Einiges. Im positiven so wie im negativen Sinne. Daher wird „Überfluss“ im weitesten Sinne wohl der rote Faden dieses Beitrags. Es gab tolles und spannendes Racing, Regelkontroversen, großartige Positionskämpfe und etliche Strafen. Dazu ein bisschen Drama, Anzeichen für einen WM-Kampf, der vielleicht doch spannender wird, als es in den vergangenen Wochen schien und leider ein ganz trauriges Thema: richtig hässliche Szenen auf den Tribünen, wo etliche Zuschauer verbal total entgleist sind und einige (vor allem weibliche) Mitarbeiter und Besucher beschimpft und beleidigt haben. Definitiv etwas, das in der Motorsportwelt nichts verloren hat. Entsprechend scharf und vehement fielen die Reaktionen aller Fahrer, Teams und auch der FIA aus. Sinngemäß: wer sich nicht benehmen kann und unsere gemeinsamen Werte hinsichtlich Gleichberechtigung und Inklusion nicht teilt, der möge doch bitte dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst. Immerhin diese Reaktionen kann man als positives Signal werten. So ein Quark hat auf keiner Tribüne und auch sonst nirgendwo etwas verloren. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, oder?
Aber genug der Aufregung. Dieses unschöne Thema möchte ich hiermit abhaken und hoffe, dass wir über derlei auch nie wieder reden müssen. Kommen wir zum sportlichen Teil des Wochenendes!

Ein ereignisreicher Freitag

Bereits das Qualifying, das an einem Sprintwochenende ja bereits am Freitag über die Bühne geht, bot eine ganze Menge. Und um den roten Faden direkt wieder aufzugreifen gab es Vorfälle im Überfluss. Strafen und gestrichene Rundenzeiten aufgrund diverser Vergehen bezüglich der Track Limits zum Beispiel. Sebastian Vettel wurde seine beste Runde aberkannt und er strandete – wie Teamkollege Stroll – bereits wieder in Q1. Das dritte mal in Folge. Definitiv eine Art von „Überfluss“, auf die Aston Martin gerne verzichten würde. Ebenso wie McLaren-Pilot Daniel Ricciardo, für den ebenfalls einmal mehr im ersten Quali-Abschnitt Schluss war. Der Überfluss negativer Geschehnisse fand dann in Q3 seine Fortsetzung, als zunächst Lewis Hamilton und wenig später auch sein Teamkollege George Russell ihre Silberpfeile in die Leitplanken setzten. Viel Arbeit für die Mercedes-Mechaniker, aber zum Glück keine allzu schlimmen Unfälle und am Ende nur etwas Blechschaden.
Es mangelte aber auch nicht an positiven Schlagzeilen. Richtig gut dabei waren die Alpine-Piloten. Noch mehr hervorheben muss man die hervorragende Leistung beider Haas-Piloten. Weiterhin ohne Upgrades unterwegs, sicherten sich Kevin Magnussen und Mick Schumacher die Positionen sieben und acht für den Sprint. Und der Kampf um die Pole Position war auch in Österreich wieder exquisit. Die Top Teams Red Bull und Ferrari lieferten sich einen heißen Schlagabtausch, am Ende hatte Max Verstappen die Nase hauchdünn vorne. Weniger als eine Zehntel dahinter die Ferrari-Fahrer Leclerc und Sainz. Sergio Perez, der sich eigentlich auf P4 qualifiziert hatte, wurde nach der Session dann seine beste Zeit im Q2 aberkannt (argh, Chaos!), woraufhin er den Sprint am Samstag von P13 aus unter die Räder nehmen musste.

Sprint-Spektakel

Der Sprint am Samstag lieferte dann schon kurz vor dem Start Schlagzeilen. Zum wiederholten mal in dieser Saison ereilten den Alpine von Fernando Alonso technische Probleme und er konnte gar nicht erst losfahren. Auch Zhou Guanyu hatte Probleme mit seinem Boliden und sorgte dafür, dass der Sprint erst nach einer zweiten Einführungsrunde starten konnte. Das Warten hatte sich aber gelohnt, der Start war überaus sehenswert. Zum einen führten noch direkt auf der Start/Ziel-Geraden Hamilton und Gasly eine Eigeninterpretation des Silverstone-Startunfalls auf, der zum Glück glimpflich ausging. Ohne Autos, die verkehrt herum in die Auslaufzone schlittern. Gelaufen war das Rennen für Pierre Gasly dennoch. Er hat einfach – ihr ahnt es bereits – ZU VIEL Pech, was Sprintwochenenden angeht. Immer läuft etwas schief für den Franzosen… Hamilton konnte problemlos weiterfahren, sein Silberpfeil wurde nicht beschädigt. Ein paar hundert Meter weiter in Kurve drei beharkten sich dann ausgerechnet beide Ferrari-Piloten. Sainz war zunächst an seinem Teamkollegen vorbeigegangen, der konterte fast in Kurve drei, als Sainz etwas schlecht rausbeschleunigt hatte. Eine Kurve weiter war die Reihenfolge dann wieder hergestellt. Für den Moment. Während Max Verstappen vorne einsam seine Kreise zog und das Tempo kontrollierte, gaben es sich die Roten weiterhin dreckig und lieferten sich einen rundenlangen Kampf um Position zwei. Statt sich gemeinsam auf die Jagd nach dem Weltmeister zu machen, boten die Ferrari-Piloten allen Fans beste Unterhaltung. Ausgezeichnet! Super auch, dass der Kommandostand keine Anweisungen gab und dass beide Piloten ihre Auseinandersetzung zwar hart, aber ebenso fair hinbekommen haben. Wunderbares Racing unter Teamkollegen also – super! Nach einigen Runden gab sich Carlos Sainz dann aber doch geschlagen und ließ sich ein bisschen zurückfallen um den sicheren dritten Platz nicht zu gefährden.

Im letzten Renndrittel formierte sich dann weiter hinten noch ein enorm spannender Zweikampf: Mick Schumacher lag hinter seinem Teamkollegen auf Punktekurs, als Hamilton, der nach seinem Startunfall mit Gasly etwas zurückgefallen war, von hinten ordentlich Dampf machte. Über mehrere Runden wehrte sich Schumacher bravourös und zog alle Tricks aus der Schublade um den Britischen Starpiloten hinter sich zu halten. Am Ende zwar vergebens, aber für Mick Schumachers Selbstbewusstsein war dieses Duell sicher nicht schlecht. Und einmal mehr: ich bin mir sicher alle Fans haben die sehenswerten Manöver gefeiert! So muss Rennsport sein.
Am Ende feierte Verstappen einen ungefährdeten Sieg vor Leclerc und Sainz. Die Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag versprach ebenfalls gutes Racing und warf natürlich ein paar Fragen auf. Wie würde sich der Zweikampf an der Spitze über eine längere Distanz mit verschiedenen Reifenmischungen gestalten? Könnte Mick Schumacher sein Duell mit Hamilton fortsetzen? Sergio Perez konnte sich auf P5 vorarbeiten. Sollte es am Sonntag für das Podium reichen? Fragen über Fragen, der Sonntag sollte alle beantworten. Und wie!

Ein epischer Alpen-GP

Der vergangene Grand Prix in Silverstone war bereits beste Werbung für den Rennsport- Es war einfach alles geboten, was das Rennsportlerherz begehrt. Diese Saison verwöhnt uns bisher aber wirklich und so stand der Österreich-GP dem Rennen in Silverstone in kaum etwas nach. Vom Start weg ging es gleich zur Sache. Diesmal kamen alle recht gut weg, folgenreiche Begegnungen gab es erst in der berüchtigten Kurve vier. Sergio Perez hatte ausgangs Kurve drei mehr Grip als Vordermann George Russell und so gingen beide nebeneinander in die folgende Ecke. Perez wollte außen am Mercedes vorbei, selbiger rutschte auf den noch kühlen Reifen minimal nach links, touchierte den Red Bull von Perez und so ging es dahin. Russell kassierte in der Folge eine fünf-Sekunden-Strafe, Perez kegelte durchs Kiesbett und war faktisch schon aus dem Rennen. In der Folge gab es wieder so etwas wie Überfluss. Zum einen einen Überfluss an sensationellen Überholmanövern, zum anderen viel zu viele Strafen. Beides zog sich durch den Grand Prix und sorgte – zumindest bei mir – für eine kleine Achterbahn der Emotionen. Glücklicherweise überwog letztendlich die Freude über das wirklich hervorragende Racing. Lewis Hamilton hatte mit Mick Schumacher am Sonntag weit weniger Mühe und überholte ihn sensationell außen in der schnellen Kurve acht. An der Spitze gab es einen ganz heißen Tanz und Charles Leclerc hat im Laufe des Grand Prix Weltmeister Max Verstappen nicht weniger als drei mal (!!!) spektakulär auf der Strecke überholt… der Ferrari war an diesem Tag das schnellere Auto, aber die Manöver muss man dann trotzdem erstmal so präzise hinkriegen, ganz ganz großes Kino. Aber was in Runde 24 los war zog mir komplett die Schuhe aus… zunächst lief Alonso auf den etwas langsameren Zhou auf, konnte aber nicht sofort überholen. Magnussen bedankte sich und schloss zu den beiden Streithähnen auf. Zu dritt fuhren sie dann schließlich nebeneinander (!) in Kurve eins und kamen durch ohne zu verunfallen. Damit nicht genug: Lando Norris und Mick Schumacher waren ebenfalls gleich zur Stelle und so entwickelte sich für ein paar Kilometer ein Fünfkampf, der einfach nur episch war. Vor allem, weil alle Fahrer millimetergenau und diszipliniert fuhren und es zu keiner Berührung kam. Ganz ehrlich: besser geht es nicht!

Feuer frei!

Vor lauter Überholmanövern und Scharmützeln auf der Strecke blieb kaum Aufmerksamkeit für Dinge wie Rennstrategie. Wobei auch dieser Aspekt beim Österreich-GP viel Spannung und Würze brachte. Ferrari hatte endlich mal den Mut und auch das Renntempo eine Strategie zu diktieren und durchzusetzen. Keine übereilten Schnellschüsse oder gar Chaos an diesem Rennsonntag an der Boxenmauer der Roten. Red Bull kam wesentlich früher zum ersten Stopp und hatte grundsätzlich etwas mit den Reifen zu kämpfen, die Ferrari blieben unbeirrt draußen und drehten ihre Bahnen. Es war zwar offensichtlich, dass sie nach dem eigenen Stopp wieder hinter Max Verstappen zurückfallen würden, aber das Selbstvertrauen in die eigene Stärke war an diesem Tag groß genug. Dann überholen die Piloten den Verstappen eben auf der Strecke, kein Problem. So lief es dann ja auch. Alles sah nach einem souveränen Doppelsieg für Ferrari aus. Bis Carlos Sainz sich in Runde 57 anschickte Verstappen zu überholen. Plötzlich wurde der rote Renner langsamer und zog eine verdächtige Rauchwolke hinter sich her – Motorschaden! Ganz ganz bitter für Sainz, der nach seinem ersten Sieg auf Augenhöhe mit Leclerc zu sein schien und bestimmt eine Erfolgssträhne starten wollte. Direkt wieder ein Rückschlag also, das muss man erstmal verdauen. Ein bisschen Slapstick gab es dann noch, als Sainz nicht aus dem Wagen klettern konnte, weil selbiger direkt wieder rückwärts auf die Strecke rollen wollte. Nicht ungefährlich, denn zu diesem Zeitpunkt brannte der rote Renner dann auch schon lichterloh. Die Streckenposten kamen etwas spät am Unglücksort an, aber letztendlich ist alles gut gegangen und niemand kam zu Schaden.

Ein Rennen mit vielen Siegern

Dass schlussendlich Charles Leclerc souverän gewann, war in den letzten Runden gar nicht so sicher. Das Gaspedal machte Sorgen und reagierte nicht so wie es sollte. Der Monegasse konnte sich aber schnell und effektiv auf die Probleme einstellen und fuhr den Sieg nach Hause. Max Verstappen war mit dem zweiten Platz angesichts der Umstände ebenfalls sehr zufrieden. Dass der Ferrari am Sonntag das schnellere Auto war könnte ihm da vielleicht mehr Grund zur Sorge geben. Aber dazu müsste Ferrari die Form wohl bei den nächsten Grand Prix bestätigen. Auf Platz drei landete erneut Lewis Hamilton. Die Mercedes sind weiterhin zuverlässig und sammeln fleißig alle Punkte, die Red Bull und Ferrari liegen lassen. Vom Tempo her rücken die Silberpfeile den Spitzenreitern auch stetig näher. Ich habe die Hoffnung auf einen Dreikampf weiterhin nicht aufgegeben. Zumal Mercedes wohl noch vor der Sommerpause ein signifikantes Update plant. Man darf gespannt sein! George Russell folgte auf Rang vier und machte direkt da weiter, wo er vor seinem Ausfall in Silverstone aufgehört hatte. Beste Saisonplatzierung dahinter für Esteban Ocon, der ein unauffälliges, aber starkes Wochenende hingelegt hatte. Der Alpine ist immer für Punkte gut, sofern er denn läuft… Hochrechnungen besagen, dass Fernando Alonso durch technische Defekte gut 50-60 Punkte in diesem Jahr flöten gegangen sind. An der Zuverlässigkeit müssen die Franzosen also noch optimieren. Immerhin landete Alonso noch auf Rang 10 und holte in Österreich einen Punkt. Dazwischen schoben sich mit sehr guten Teamleistungen beide Haas und beide McLaren. Ricciardo war am Sonntag einigermaßen auf Augenhöhe mit Norris. Beide Fahrer in den Punkten, das ist augenblicklich beinahe schon das Maximum für das Traditionsteam. Noch etwas besser lief es für Haas und vor allem für Mick Schumacher. Selbiger landete auf Platz sechs und holte damit seine beste Platzierung in der Formel 1 bisher und natürlich nochmal ordentlich Punkte. So kann das weitergehen, der Knoten scheint endgültig geplatzt. Auch Haas plant noch ein umfangreiches Update, vielleicht können Magnussen und Schumacher also auch in der zweiten Jahreshälfte um Punkte kämpfen. Es wäre großartig! Vor der Sommerpause erwarten aber uns noch die Rennen in Frankreich und Ungarn. Zwei sehr unterschiedliche Strecken. Es wird spannend wer mit gutem Schwung in den Sommer geht. Wo es Sieger gibt, gibt es auch immer Verlierer. Alpha Tauri und Aston Martin waren beinahe durchgehend im Nirgendwo unterwegs, auch Williams kam nicht so recht vom Fleck. Es wird schwierig für die Teams noch den Anschluss zu finden. Zumal sich die Fahrzeug-Entwicklung langsam, aber sicher auf die 2023er Modelle verschiebt.

Fazit

Fazit
5 5 0 1
Insgesamt ein großartiges Rennwochenende. Knappes Quali, ein sehenswerter Sprint und ein Grand Prix voller Action, Spannung und Drama. Trotz Deppen-Fans und der Flut an Strafen war Österreich alles in allem ein großartiges Event!
Insgesamt ein großartiges Rennwochenende. Knappes Quali, ein sehenswerter Sprint und ein Grand Prix voller Action, Spannung und Drama. Trotz Deppen-Fans und der Flut an Strafen war Österreich alles in allem ein großartiges Event!
5/5
Total Score
Amazing

TOP:

  • Viele heiße Zweikämpfe und sehenswerte Überholmanöver quer durch die Bank. Ein weiterer Beweis dafür, dass das Racing mit den neuen Regeln spürbar besser geworden ist, yay!
  • Ferrari mit einem starken Wochenende. Von einer Trendwende kann man sicher noch nicht sprechen, aber der WM-Titel wird kein Selbstläufer für Max Verstappen, wenn die Scuderia weiter so abliefert.
  • Mick Schumacher zeigte auf dem Red Bull Ring tolle Zweikämpfe, machte keine Fehler und wurde mit seinem besten Ergebnis in der Formel 1 und weiteren Punkten belohnt.

FLOP:

  • Absolut indiskutables Verhalten einiger Zuschauer an der Strecke trübte das Gesamtbild etwas. Solche „Fans“ braucht niemand. Benehmt euch anständig oder bleibt zuhause, ihr Trolle!
  • Viele Diskussionen um Track Limits und eine konsequente Linie der Regelhüter führten zu Unmengen an Strafen.
  • Aston Martin krebst weiter am Endes des Feldes rum. Sebastian Vettel landete zwei mal unverschuldet im Kies und hatte ein Wochenende zum Vergessen. Eigentlich kann es nur aufwärts gehen bei den Grünen.

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