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Track-Limit-Farce in Österreich

Es war ein durchwachsenes Sprint-Wochenende in Österreich. Auf dem Red Bull-Ring ging es hoch her, aber am Ende überwiegt der bittere Beigeschmack der unzähligen Strafen all die positive Action auf der Strecke. Schade, denn sportlich hatte das Rennen in Spielberg durchaus einiges zu bieten.

Ein Sprint-Wochenende bietet traditionell mehr Action, Trubel und Unwägbarkeiten als ein reguläres Rennwochenende. Das ist die Absicht dahinter und von diesem Standpunkt aus betrachtet funktioniert das Konzept sehr gut. Am Freitag haben die Teams lediglich ein freies Training zur Verfügung, um ein passendes Setup für den Rest des Wochenendes zu erarbeiten, neue Teile auszuprobieren und sich an die Strecke zu gewöhnen. Das ist sehr wenig. Allerdings sind die Simulationswerkzeuge der Mannschaften mittlerweile so gut, dass trotzdem kaum jemand beim Setup grob daneben greift. Schwieriger wird es, wenn es darum geht, in diesem sehr limitierten Zeitraum auch neue Teile zu bewerten. Und da wir uns allmählich in Richtung Sommerpause bewegen, schrauben viele Teams noch fleißig neue Teile ans Auto, bevor sich der Fokus dann bei den meisten auf das Fahrzeug für 2024 verlagert. Für McLaren hat es in Österreich aber prima funktioniert. Lando Norris erhielt die erste von drei Ausbaustufen des groß angekündigten Upgrades und war damit auf Anhieb vorne dabei. Weniger gut lief es für die kürzlich erneuerten Mercedes und Aston Martin. Aber der Reihe nach…

Ein hektischer Freitag

Nach dem freien Training ging es am Freitag bereits ins Qualifying, um die Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag zu ermitteln. Und wie beinahe schon üblich, gab es auch in Österreich einige Überraschungen. Bemerkenswert war dabei gleich zu Beginn, wie nah das Feld in Q1 beisammen lag. Der Red Bull-Ring ist eine der kürzesten Strecken im Kalender und aufgrund seiner relativ hohen Durchschnittsgeschwindigkeit auch der Kurs mit der kürzesten Rundenzeit. Zwischen Platz eins und Rang 20 lagen in Q1 weniger als eine Sekunde! Selbst mit den Red Bulls vorne, die wirklich nach wie vor eine Klasse besser sind als der Rest des Feldes. Sehr überschaubare 0,858s betrug der Abstand, um genau zu sein. Spoiler: So knapp sollte es im weiteren Verlauf des Wochenendes nicht bleiben. Eine unschöne Überraschung erlebten George Russell und einmal mehr Sergio Perez dann in Q2. Beide blieben nämlich hängen und konnten nicht in die Runde der besten zehn einziehen. Bei Perez war es besonders ärgerlich: er war vom Tempo her beinahe auf Augenhöhe mit Max Verstappen, allerdings wurde er ein prominentes Opfer der Thematik, die das gesamte Wochenende bestimmen sollte: track limits!

Sergio Perez wurden im zweiten Quali-Abschnitt insgesamt drei Zeiten aberkannt, die allesamt für einen Einzug ins Q3 gereicht hätten. Aber stets war der Mexikaner einen Hauch außerhalb der weißen Linie, die als Maßstab und Begrenzung der Rennstrecke gilt. Landet ein Pilot mit allen vier Reifen außerhalb der weißen Linie, gibt es Ärger. In der Qualifikation wurde rigoros die Zeit gestrichen. Insgesamt passierte das übrigens 47 mal während der Quali-Session. Viel zu tun für die Rennleitung, viel Frust und Durcheinander auf der Strecke und bei den Fans. Am Ende stand eine hauchdünn erkämpfte Pole Position für Max Verstappen, knapp dahinter die stark auftretenden Ferrari von Leclerc und Sainz. Sensationell war Lando Norris auf Rang vier. Der erste Teil des großen Updates am McLaren funktionierte auf Anhieb bestens. Auch Hülkenberg landete wieder in Q3 und qualifizierte sich auf dem achten Platz für den Grand Prix.

Der große Sprint-Samstag

Für Norris und Hülkenberg sollte es am Samstagvormittag sogar noch besser laufen. Sie konnten sich direkt hinter den beiden dominanten Red Bulls einreihen, Norris auf Rang drei, Hülkenberg dahinter auf der Vier. Sergio Perez bestätigte seine gute Form vom Vortag und hielt seinen Dienstwagen diesmal innerhalb der weißen Linien, holte sich am Ende einen starken zweiten Platz hinter Verstappen. Weit weniger gut lief es für Lewis Hamilton. Er haderte mit den Track Limits und flog bereits im ersten Quali-Segment raus, startete den Sprint folglich nur von Rang 18. Auch George Russell hatte Probleme und konnte wegen eines Defekts nicht an Q2 teilnehmen, für das er sich aber immerhin qualifiziert hatte. Ein ähnliches Schicksal drohte auch Carlos Sainz. Gleich nachdem er die Box in Q1 verlassen hatte, bemerkte er einen Defekt an seinem Ferrari und kam umgehend wieder zurück zu seinen Mechanikern. Diese konnten das Problem aber in Windeseile beheben und Sainz blieb gerade noch so Zeit, um eine gezeitete Runde auf den Asphalt zu knallen. Er behielt die Nerven, manövrierte seinen roten Renner regelkonform innerhalb der weißen Linien und zauberte eine Zeit auf die Strecke, die mal eben gut genug für Platz eins war. Das SQ1 war somit übrigens die einzige Session am gesamten Wochenende, die Max Verstappen nicht auf dem Spitzenplatz abgeschlossen hatte.

Der Sprint selbst war dann wirklich großes Kino und super unterhaltsam. Regen hatte den Red Bull-Ring heimgesucht und die Strecke entsprechend komplett verändert. Mit Ausnahme von Valtteri Bottas (der dieses Risiko noch vor Rennstart korrigierte), gingen alle Piloten auf Intermediate-Reifen in den Sprint. Verstappen erwischte einen durchschnittlichen Start und musste sich zwei Kurven lang gegen seinen Teamkollegen behaupten. Die beiden schenkten sich nichts und fuhren absolut am Limit, kämpften so hart es nur ging um die Position. Alles gerade noch so im Rahmen des Erlaubten. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir recht sicher, dass es zwischen den beiden einen heftigen Disput geben würde. Tatsächlich sprachen sie nach dem Rennen entspannt und sachlich über diesen Zweikampf. Rennfahrer sind wirklich anders wild, Leute!

Viel Action und die Wetterachterbahn

Während des kurzen Sprints trocknete die Strecke stetig ab und eröffnete plötzlich die strategische Dimension eines Boxenstopps. George Russell war der Erste, der auf Slicks umgeschwenkt hatte, einige andere Piloten folgten umgehend. Darunter auch Nico Hülkenberg, der bis zu diesem Zeitpunkt wieder etwas nach hinten durchgereicht worden war. Sein Haas frisst immer noch Reifen wie das Krümelmonster Kekse. Aber der Stopp stellte sich für ihn als goldener Griff heraus. Er machte auf seinem Medium-Reifensatz sehr schnell Zeit gut und überholte souverän einen Kontrahenten nach dem anderen. Am Ende der letzten Runde lag er im Windschatten der beiden Aston Martin und hätte sie gewiss noch überholt, hätte der Sprint auch nur eine Runde länger gedauert. So blieb dem Deutschen Rang sechs und drei Punkte, auch gut. Weniger gut lief es für den vorhin lobend erwähnten Lando Norris. Der war direkt hinter den beiden Red Bull, als selbige sich in der ersten Runde ob der Vorfahrt nicht so recht einig wurden. Dabei musste er in Kurve zwei so weit vom Gas, dass das System an seinem McLaren automatisch in den „Anti Stall“-Modus gewechselt hatte. Vermutlich ein Programm, das automatisch in den Leerlauf schaltet, damit der Motor nicht abstirbt. Das kostete etwas Zeit, als Norris dann wieder händisch einen Gang eingelegt hatte, ging es voran. Allerdings fand er sich da nicht mehr auf Rang drei, sondern nur noch auf Platz zehn wieder. Schade, aber seine große Stunde sollte ohnehin erst am Sonntag schlagen. Hinter Verstappen und Perez schnappte sich übrigens der starke Carlos Sainz den dritten Podestplatz. Leclerc im zweiten Ferrari war hingegen bei Wechselbedingungen einmal mehr chancenlos und trudelte auf Platz 12 ins Ziel. Auch da sollte aber noch ein Highlight am Sonntag folgen.

Der Grenzgänger-GP

Die Geschichte des Rennens am Sonntag ist im Prinzip relativ schnell erzählt. Ein weitestgehend sauberer Start, vorne blieb alles unverändert. Einzig Hamilton und Norris tauschten die Plätze. Anschließend versuchten alle einen guten Rhythmus zu finden, bis Nico Hülkenberg nach seinem Boxenstopp plötzlich ausrollte. Ein vermeintlicher Hydraulikdefekt zwang den Deutschen zur Aufgabe, sehr schade. Bis zu diesem Zeitpunkt fuhr Hulk ein großartiges Wochenende und hätte vielleicht auch am Sonntag Chancen auf Punkte gehabt. Futsch. Anschließend wurde eine virtuelle Safety Car-Phase ausgerufen, die einige Piloten zu einem – verhältnismäßig schnellen – Boxenstopp nutzten. Unter anderem kamen beide Ferraris hintereinander rein. Eine Entscheidung, die Carlos Sainz acht Sekunden Zeit und drei Plätze auf der Strecke kosten sollte. Leclerc lag vor ihm und wurde entsprechend als erster der beiden abgefertigt, Sainz musste warten. Die verlorenen Plätze holte der Spanier aber ebenso schnell wie souverän wieder rein. Auch er bot über das gesamte Wochenende hinweg eine ansprechende Leistung.

Kurz nach Ende des VSC gab es dann bereits die ersten Strafen. Lewis Hamilton bekam eine 5-Sekunden-Strafe aufgebrummt, auch Yuki Tsunoda war einer der ersten. Es folgte eine komplett unübersichtliche Vielzahl an Vergehen und Strafen. Einzig George Russell und Zhou Guanyu schafften es, das komplette Rennen über sauber zu fahren. Keine Szene dieser beiden musste untersucht werden, es war also möglich 71 Runden innerhalb der weißen Linien zu absolvieren. Insgesamt wurden 10 Piloten, teils mehrfach, bestraft. Das lässt wirklich auf ein systemisches Problem schließen. Und natürlich war es das auch. Wenn es schlicht einen Hauch schneller ist, die Kurven neun und zehn so weit außen zu nehmen, dass man zumindest in den Verdacht gerät, einen Regelverstoß begangen zu haben, dann riskieren es eben alle. Da braucht es unbedingt eine andere Lösung. Über einige Ansätze haben wir in unserem Podcast bereits gesprochen, den ihr übrigens hier hören könnt:

Episode 17: Renn-Rückblick 09/2023: Österreich

Jenseits von Regelverstößen und Strafen gab es aber natürlich sportlich auch noch viele interessante Szenen. Eine schöne Kampfgruppe, bestehend aus Albon, Magnussen, Ocon und Stroll beharkte sich über einige Runden hinweg sehenswert. Jeder überholte jeden und niemand konnte sich so richtig einen nachhaltigen Vorteil erarbeiten. Nett anzusehen, allerdings ging es dabei nur um Platz elf. In Runde 25 endete dann mit einem Boxenstopp die Serie von Max Verstappen. Satte 249 Runden über mehrere Rennen hinweg lag der Niederländer ununterbrochen in Führung. Zu diesem Zeitpunkt durfte Charles Leclerc kurz übernehmen und ein paar Führungsrunden sammeln. Auch Sainz konnte durchschlüpfen und für kurze Zeit gab es tatsächlich eine Ferrari-Doppelführung am Red Bull-Ring. Aber Max Verstappen ließ sich das nicht lange gefallen und machte kurzen Prozess. Zunächst mit Sainz, wenige Runden später auch mit Charles Leclerc. Clever und entschlossen zog Verstappen die Manöver durch, beide Ferrari-Piloten waren letztendlich chancenlos.

Jäger der verlorenen Punkte

Hinter Verstappen und den zwei Ferrari gab es ja noch jemanden, der endlich die Trendwende einläuten wollte: Sergio Perez. Nach dem erneut vergeigten Quali ging der Mexikaner bekanntlich nur von Startplatz 15 in den Grand Prix, hatte aber eine gute Pace und konnte sich stetig nach vorne arbeiten. Und abgesehen von dem Ausscheiden in Q2 am Freitag gelang Perez auch über das Wochenende hinweg beinahe alles. Eine Rückkehr zu alter Stärke, hoffentlich ab jetzt dauerhaft und konstant. Belohnt wurde die beherzte Fahrt am Ende noch mit einem Podiumsplatz. Hinter Verstappen und Leclerc reihte sich Perez als Dritter ein. Hätte Carlos Sainz nicht viele Runden lang heftige Gegenwehr geleistet, wäre vielleicht sogar der Doppelsieg möglich gewesen für die roten Bullen auf ihrer Hausstrecke. So oder so bleiben die Red Bull das Maß aller Dinge in der Saison 2023 und insbesondere Verstappen gewinnt nach Belieben. Ein letzter Beleg dafür war eine Szene zwei Runden vor dem Ende des Rennens. Da bestand Verstappen darauf, dass er sich bei einem – eigentlich unnötigen – Boxenstopp noch fix weiche Reifen aufziehen und damit die schnellste Runde samt Extrapunkt holen durfte. Riskant, denn Leclerc lag zu diesem Zeitpunkt rund 23 Sekunden hinter Verstappen, ein sauberer Boxenstopp kostete etwa 20-21 Sekunden. Wäre auch nur eine Winzigkeit nicht perfekt gelaufen, hätte Verstappen statt dem Extrapunkt vielleicht einen Platzverlust hinnehmen müssen oder einen Defekt, falls ein Rad nicht korrekt montiert worden wäre. Hätte, wäre, wenn… natürlich lief alles optimal. Bei dem Selbstbewusstsein, das die Truppe und der Weltmeister aktuell ausstrahlen, ist das auch kein Wunder. Es läuft eben, wenn es läuft.

Zugabe!

Als nach der Zieldurchfahrt alle Strafen vergeben und ein provisorisches Klassement erstellt worden war, klingelten Vertreter von Aston Martin bei der Rennleitung durch und platzierten einen formellen Protest gegen das Rennergebnis. Es gebe noch einige Fälle bezüglich der Überschreitung von Track Limits, die noch nicht untersucht worden waren, so die sinngemäße Anschuldigung. Tatsächlich wurde dem Protest stattgegeben und knapp sechs Stunden (!) nach Ende des Rennen wurden nicht weniger als acht weitere Piloten (teilweise mehrfach) bestraft, was natürlich noch Auswirkungen auf das Rennergebnis hatte. Die Top drei blieben davon zum Glück verschont, aber bereits dahinter rutschte Carlos Sainz zurück, Norris und Alonso rückten vor. Auch Stroll gewann so noch einen Platz, den Protest hatte sich seine Mannschaft offensichtlich gut überlegt und geplant. Esteban Ocon übertraf einen legendären Rekord und ist jetzt mit vier Strafen in einem Rennen Spitzenreiter in dieser Kategorie. Zuvor „gelang“ es dem nicht minder legendären Pastor Maldonado, sich drei Vergehen in einem Rennen zu erlauben. So endete der Grand Prix von Österreich jedenfalls viele Stunden nach dem Fall der Zielflagge auf unwürdige Art und Weise. Etwas, das sich wirklich nicht wiederholen darf. Die Formel 1 muss für das kommende Jahr Lösungen für dieses Problem anbieten. Mit dieser strengen Note endet der heutige Rückblick auf Österreich. Mehr Standpunkte und Informationen zum Rennen findet ihr, wie bereits erwähnt, in unserer Podcast-Episode zu diesem Rennen. Hört also gern rein!

Fazit

Fazit
3 5 0 1
Ein ziemlich spannendes und unterhaltsames Sprint-Wochenende mit zwei Macken: Verstappen gewinnt nach wie vor mit Leichtigkeit. Und die Track-Limit-Farce mit unzähligen Vergehen, Strafen und einem endgültigen Klassement erst Stunden nach dem Rennen war ein echter Spielverderber.
Ein ziemlich spannendes und unterhaltsames Sprint-Wochenende mit zwei Macken: Verstappen gewinnt nach wie vor mit Leichtigkeit. Und die Track-Limit-Farce mit unzähligen Vergehen, Strafen und einem endgültigen Klassement erst Stunden nach dem Rennen war ein echter Spielverderber.
3/5
Neutral

TOP:

  • Red Bull und Verstappen siegen weiter und leisten sich keine Blöße. Perez erneut mit Problemen im Quali, aber mit einem super Rennen am Sonntag.
  • Formanstieg bei Ferrari. Ein verdientes Podium für Leclerc im Grand Prix und für Sainz im Sprint. Es geht voran bei der Scuderia!
  • Die erste Stufe des großen McLaren-Upgrades am Auto von Lando Norris hat direkt gezündet. Auch da kann man für die Zukunft einiges erwarten.

FLOP:

  • Das dominante Thema des Wochenendes: Track Limits! Unzählige Strafen, ein endgültiges Klassement erst Stunden nach dem Rennen. Unwürdig!
  • Mercedes fand auf dem Red Bull-Ring zu keinem Zeitpunkt die Pace der vergangenen Rennen. Das Podium war stets außer Reichweite.
  • Auch Aston Martin blieb vergleichsweise blass. Solide Punkte, aber keine Chance auf ein Podest für Alonso und Stroll.

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