imkreisfahren
Ein Blog rund um die Welt der Formel 1

Die gnadenlose Reifenschlacht in Spanien.

Zahlreiche Teams hatten Upgrades nach Barcelona gebracht, die lästige Schikane im letzten Sektor wurde entfernt und auch Regen sollte den Grand Prix in Spanien kräftig würzen. Am Ende wurde es erneut vor allem eine Machtdemonstration von Max Verstappen.

Die Formel 1 mutet dieser Tage recht eintönig an. Egal welche Hürden Max Verstappen vor die Nase seines Red Bull geworfen werden, egal welche neuen Teile die Konkurrenz an ihre Boliden schraubt. Auch Wetterkapriolen oder Probleme können den Weltmeister nicht aus der Ruhe bringen. Es ist ein bisschen wie in dem berühmten Zitat von Gary Lineker: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen“. Nur jagen in der Formel 1 eben 20 Fahrer die Zielflagge, die Dauer ist variabel und nunja, es gewinnt eben gefühlt immer (ganz anders wie im Fußball!) der fliegende Holländer. So auch in Spanien.

Alles war bereit für einen spannenden Spanien-GP

Dabei waren die Zutaten wirklich gut. Traditionell bringen die meisten Teams große Upgrades nach Barcelona, da die Strecke häufig zum Testen genutzt wird und alle Mannschaften reichlich Vergleichsdaten zur Verfügung haben, um die Wirksamkeit neuer Teile auch gründlich einzuordnen. Zudem wurde der Streckenverlauf im letzten Sektor endlich wieder auf den Stand von 2006 gebracht, also in eine Zeit vor der langsamen Schikane. Zwei schnelle Rechtskurven am Ende der Runde senken die Rundenzeiten, fordern die Reifen und Fahrer und sollten auch zu mehr Überholmanövern führen, da Windschatten und DRS durch höhere Geschwindigkeiten auf der Geraden wirksamer werden. Und dann war da noch die Wettervorhersage, die uns allen Hoffnung machte und behauptete, dass es im Laufe des Wochenendes regnen würde. Am Sonntag um den Start herum. Oder vielleicht auch zu Rennhalbzeit. Oder… nunja, dieses Spannungsmoment fiel leider aus, der Regen kündigte sich zwar durch dunkle Wolken an, erreichte aber nie die Strecke. Eine Variable weniger, schade.

Ein großartiges Qualifying

Nach drei Bestzeiten von Max Verstappen in den freien Trainings lag die Favoritenrolle für die Pole Position natürlich ebenso beim Weltmeister. Und er wurde dieser Rolle sehr überzeugend gerecht. Dahinter entfaltete sich aber ein dramatisches Qualifying mit zahlreichen Überraschungen und einer Startaufstellung, die in dieser Form sicher niemand vorhergesehen hätte. Aber der Reihe nach… Zunächst schockte Charles Leclerc in Q1 alle Tifosi und schied aus. Nicht etwa aufgrund eines Unfalls oder Defekts, nein: der Ferrari schien einfach zu langsam. Im Nachhinein spekulierte Leclerc und war überzeugt davon, dass etwas im Bereich der Hinterradaufhängung defekt gewesen sein musste und dem Wagen jegliche Balance und dem Piloten sein ganzes Selbstbewusstsein geraubt hatte. Auch im zweiten Quali-Abschnitt ging es weiter mit den bösen Überraschungen. George Russell brachte mit dem rundum erneuerten Mercedes keine ordentliche Zeit hin und schied auf Position 12 liegend aus. Noch überraschender war das Aus von Sergio Perez, der nach einem erneuten Fahrfehler und dem daraus resultierenden Ausritt ins Kiesbett keine schnelle Runde mehr zusammenbrachte. Rang elf für den Mexikaner und der dritte grobe Schnitzer im siebten Qualifying der Saison. So hat er gegen Max Verstappen leider nicht den Hauch einer Chance.

In Q3 gab es dann schlussendlich noch eine kleinere negative Überraschung, denn Fernando Alonso kam nicht über Rang neun hinaus. Wie später bekannt wurde, hatte sich der Spanier bei seinem Heimrennen den Unterboden bereits im Q1 beschädigt und kämpfte fortan auch mit einem schlecht ausbalancierten und unruhigen Boliden. Freuen durften sich allerdings auch einige Piloten. Allen voran Lando Norris. Der junge Brite schaffte es durch eine Verkettung sehr glücklicher Umstände auf den dritten Startplatz. Auch Oscar Piastri im zweiten McLaren fuhr im Q3 mit und landete auf einem guten zehnten Platz. Auch Nico Hülkenberg mischte unter den schnellsten Zehn mit und konnte sich am Ende vor Alonso auf Platz acht einreihen. Erneut waren auch beide Alpine-Piloten munter dabei. Esteban Ocon landete auf dem siebten Rang, Pierre Gasly sogar auf Position vier. Diese wurde aber gleich wieder kassiert, denn dem Franzosen wurden – zurecht – zwei Vergehen angeheftet. Ähnlich wie bei Leclerc in Monaco, ließ in Spanien der Kommandostand Pierre Gasly im Stich und versäumte es anstürmende Kontrahenten rechtzeitig zu melden. So stand Gasly zwei Konkurrenten im Weg und ruinierte deren Runden. Entsprechend bekam er zwei Startplatzstrafen aufgebrummt und musste in Summe sechs Startplätze zurück. Schade und unnötig, aber so sind eben die Regeln.

Ein merkwürdiges Rennen

Sage und Schreibe 107 Überholmanöver zählten die Statistiker am Sonntag beim großen Preis von Spanien 2023. Ein gutes oder gar denkwürdiges Rennen war es trotzdem nicht. Die meisten dieser Manöver kamen zustande, weil die Piloten auf unterschiedlich harten und unterschiedlich alten Reifen unterwegs waren. Auch die lange Gerade mit dem nun stärkeren Windschatten und DRS-Effekt tat sicher ihr Übriges. Dazu kam, dass einige der Autos, die überraschend weit vorne standen wie der Haas von Hülkenberg oder die McLaren, große Probleme mit dem Reifenverschleiß hatten und entsprechend nach hinten durchgereicht wurden. Manchmal erzählen nackte Zahlen eben nicht die ganze Geschichte und schon gar nicht die Wahrheit. Auch dass es erneut keine gelben oder roten Flaggen, Unterbrechungen, Safety Cars oder sonstiges Chaos gab, tat der Spannung nicht unbedingt gut. Einzig das Warten auf den Regen und die Hoffnung auf ein wenig Durcheinander hielt die meisten Zuschauer wohl bei der Stange.

Dabei ging es noch halbwegs spannend los. Am Start verschätzte sich Lando Norris minimal und brach sich ein Stück seines Frontflügels am linken Hinterreifen von Lewis Hamiltons Mercedes ab. Letzterer überstand den Kontakt aber mühelos und machte fortan Jagd auf Carlos Sainz. Norris hingegen musste am Ende der ersten Runde bereits die Box ansteuern und sich eine neue Nase abholen. Max Verstappen fuhr da schon allen auf und davon und sollte seine Führung übrigens auch den Rest des Nachmittags nicht abgeben. Dahinter passierten allerdings ein paar diskussionswürdige Dinge. Zum einen hatten beide Ferrari, die übrigens auch mit reichlich neuen Teilen am Auto in Barcelona aufgekreuzt waren, nach wie vor große Probleme mit dem Reifenverschleiß. Leclerc war auf dem harten Reifen gestartet, kam aber bereits in Runde 16 zum Wechsel und klagte über eine grauenhafte Balance. Zum Vergleich: Verstappen fuhr im ersten Stint den weicheren Medium-Reifen und hielt selbige problemlos bis Runde 26 am Leben. Ähnlich wie bei Ferrari, ging es auch für Haas nur so dahin. Klar, die mechanische Basis ist weitgehend identisch, kauft Haas doch großzügig beim Italienischen Traditionsrennstall ein. Auch Hülkenberg wurde regelrecht „aufgefressen“, wie er im Interview nach dem Rennen selbst sagte. Beide Haas mussten zwangsläufig eine Drei-Stopp-Strategie fahren, alle anderen kamen mit zwei Stopps durch. Alle bis auf Lando Norris, der aber bereits in Runde eins zu einem Zusatz-Stopp reingekommen war, wir erinnern uns.

Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Und umgekehrt gibt es auch Lichtblicke, wo es bei vielen düster aussieht. Mercedes zeigte im Rennen eine hervorragende Leistung. Zwar wurde diese teamintern noch sehr vorsichtig optimistisch aufgenommen, aber am Ende stand ein doppeltes Podium zu Buche. Hamilton hatte über die Distanz keine Mühe mit dem reifenmordenden Ferrari von Carlos Sainz und George Russell zeigte eine blitzsaubere Vorstellung und machte insgesamt neun Plätze gut. Russell war es übrigens auch, der in Runde 28 ein paar Regentropfen in Kurve fünf vermutet hatte. Nur um wenige Runden später zu merken, dass es sich dabei um Schweißtropfen gehandelt haben muss, die sich von innen auf seinem Helmvisier breit gemacht hatten. Ein kleiner Comedy-Moment, das muss auch mal sein… Perez konnte sich ebenfalls noch halbwegs rehabilitieren und drehte mit zunehmender Renndauer auf. Am Ende stand für den Mexikaner Platz vier und immerhin zwölf Punkte zu Buche. Wie die Punkteverteilung übrigens exakt funktioniert, erzählen wir in einer Sonder-Episode des imkreisfahren-Podcast. Dort haben wir die wichtigsten sportlichen Regeln aufbereitet um (Wieder-)Einsteigern einen möglichst guten Überblick über das aktuelle Reglement zu geben. Hier könnt ihr in diese Folge reinhören:

Episode 10: Regelkunde mit imkreisfahren:

Die Leiden des jungen T.

Einen großen Pechvogel hatte auch der Spanien-GP zu bieten. Und es war erneut Yuki Tsunoda. Nachdem der temperamentvolle Japaner bereits in Monaco einen großen Kampf geliefert hatte, am Ende aber von Bremsproblemen gestoppt wurde (Jep, die Ironie ist Absicht!) und am Ende ohne Punkte nach Hause ging, lief es für ihn auch in Spanien nicht optimal. Erneut mogelte er seinen Alpha Tauri in die Punkte und lag einen Großteil des Rennens in aussichtsreicher Position. Am Ende wurde ihm aber ein Zweikampf mit Zhou Guanyu zum Verhängnis. Letzterer war klar schneller und wagte am Ende von Start/Ziel ein Überholmanöver gegen Tsunoda. Beide bremsten auf der letzten Rille, Zhou war auf der Außenlinie und von rechts näherte sich bedrohlich schnell der Alpha Tauri, dessen Reifen nicht mehr den optimalen Grip parat hatten. Zhou konnte aber ausweichen und verlor in der Auslaufzone nicht mal allzu viel Zeit. Das harte Verteidigen von Tsunoda wurde allerdings von der Rennleitung als grenzwertig betrachtet und er wurde mit einer 5-Sekunden-Strafe belegt. Diese warf ihn am Ende des Grand Prix dann leider doch noch aus den Punkten. Zhou allerdings wurde am Ende starker Neunter und stellte seinen erfahrenen Teamkollegen Valtteri Bottas deutlich in den Schatten. Ein super Wochenende des jungen Chinesen, eigener Aussage nach sogar das bisher beste in seiner noch jungen Formel-1-Karriere. 

Was ist nun Phase?

Am Ende des großen Preises von Spanien gibt es für den Fan eigentlich mehr Fragen als Antworten. Ist das Mercedes-Upgrade nun so gut, dass sie deutlich zweite Kraft hinter Red Bull sind? Werfen die neuen Ferrari-Teile die Roten hingegen zurück? Ist der WM-Zug für Perez nun endgültig abgefahren? Und gewinnt Max Verstappen jetzt alle Rennen der Saison? Was macht Aston Martin? Nun, wir wissen es nicht… Die Mercedes-Form mag streckenspezifisch sein, könnte aber auch der Anfang einer furiosen Aufholjagd werden. George Russell ist überzeugt davon, dass sein Team im Laufe einer Saison stets die beste Entwicklung betreibt und ein Auto am meisten umkrempeln kann. Was ist mit Ferrari? Der erste Auftritt der neuen Seitenkästen (und einiger Kleinteile mehr) schien noch nicht die Antwort auf alle Fragen in Maranello gewesen zu sein. Vor allem der hohe Reifenverschleiß ist weiterhin ein großes Thema. Die schlechte Balance und das inkonsistente Fahrverhalten ebenso. Man hat den Eindruck Fahrer und Ingenieure verstehen ihr eigenes Auto nicht. Dass Max Verstappen vermutlich locker Titel Nummer drei in Folge einfahren wird, scheint besiegelt. Wer soll den Niederländer aktuell noch stoppen? Und was Aston Martin angeht: da bekommen wir einige Antworten bereits beim kommenden Grand Prix. Kanada wurde als der Ort gewählt um signifikante Upgrades an die grünen Renner zu schrauben. Ob und wie diese einschlagen wird man sehen müssen. Womöglich greifen Alonso und Stroll dann wieder nach dem Podium und werden selbiges den Mercedes streitig machen. Dass neue Teile bei Aston ausgerechnet in Kanada für Furore sorgen sollen ist natürlich kein Zufall: Teambesitzer Lawrence Stroll und sein Sohn Lance sind Kanadier und wollen entsprechend beim Heim-Grand-Prix für positive Schlagzeilen sorgen. Wünschen wir beiden, dass ihnen das besser gelingt als Charles Leclerc in Monaco oder Alonso und Sainz in Spanien…

Fazit

Fazit
3 5 0 1
Erneut ein Rennwochenende, an dem das Qualifying besser war als das Rennen selbst. Trotz vieler Überholmanöver! Erneut gab es keine Un- oder Ausfälle, keine gelben oder roten Flaggen und auch kein Safety Car. Erstaunlich wie üblich das mittlerweile ist. Der Spannung hilft es leider nicht.
Erneut ein Rennwochenende, an dem das Qualifying besser war als das Rennen selbst. Trotz vieler Überholmanöver! Erneut gab es keine Un- oder Ausfälle, keine gelben oder roten Flaggen und auch kein Safety Car. Erstaunlich wie üblich das mittlerweile ist. Der Spannung hilft es leider nicht.
3/5
Neutral

TOP:

  • Der überfällige Wegfall der sperrigen Schikane im dritten Sektor begeistert die Fahrer und hilft dem Racing. Erfreulich!
  • Die Upgrades bei Mercedes scheinen zu funktionieren. Beide Fahrer auf dem Podium und noch viel Potential für mehr Leistung lassen hoffen.
  • Verstappen fährt weiter auf einem eigenen Planeten. In Spanien führte er jede Session an, holte Pole, Sieg und schnellste Rennrunde. Überragend!

FLOP:

  • Das Ferrari-Upgrade verpufft, die roten Renner fressen ihre Reifen viel zu schnell auf. Da hilft auch kein gutes Quali-Ergebnis von Sainz.
  • Für Aston Martin lief es in Barcelona durchwachsen. Alonso kämpfte mit einem Defekt, Stroll konnte die Teamehre nur halbwegs retten.
  • McLaren und Haas jubelten am Samstag und wurden am Sonntag nach hinten durchgereicht. Da muss mehr kommen, um Punkte holen zu können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie-Einstellungen