Endlich war es gestern so weit: Das erste Rennen der Saison 2023 stieg in Bahrain und erlöste Fans der Formel 1 nach über 100 Tagen ohne Renn-Action auf der Strecke. Nach den Testfahrten eine Woche vorher an gleicher Stelle, war das Eröffnungsrennen der erste richtige Stresstest unter Wettbewerbsbedingungen für die neuen Autos. Einige Befürchtungen wurden bestätigt, andere nicht und ein Team konnte die starke Form aus den Testfahrten tatsächlich bestätigen. Der Bahrain-GP lieferte viele interessante Geschichten, daher: bitte einsteigen, anschnallen und los geht’s!
Nach dem Testen nichts Neues
Um es direkt zu Beginn vorwegzunehmen: an der Spitze war dieses Auftaktrennen nicht sonderlich spannend. Weltmeister Max Verstappen tat alles dafür, um jegliche Hoffnung auf Abwechslung oder gar eine Wachablösung im Keim zu ersticken. So gut wie der Red Bull bei den Tests schien, so gut war er auch im Rennen. Über die freien Trainings und streckenweise auch das Qualifying hinweg sah es so aus, als hätten die Bullen ein paar kleine Problemchen hier und da. Pustekuchen! Der Eindruck war offenbar lediglich diversen Setup-Experimenten geschuldet. Als es im Qualifying drauf ankam, verstand das Weltmeister-Team keinen Spaß. Verstappen auf Pole, Perez etwas mehr als eine Zehntel dahinter, fertig.
„Als es im Qualifying drauf ankam, verstand das Weltmeister-Team keinen Spaß.“
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Winziger Schönheitsfehler: Perez kam am Start suboptimal weg und verlor seine Position zeitweise an Charles Leclerc, konnte sie sich aber später locker zurückholen, als am Ferrari die Reifen begannen den Geist aufzugeben. Ab da war der Käse gegessen und die Bullen fuhren mit Sicherheit weite Strecken des Grand Prix mit gedrosselten Motoren um selbige zu schonen. Ein lockerer Doppelsieg zum Auftakt war das Ergebnis. Man kann nur hoffen, dass diese Machtdemonstration der besonderen Streckencharakteristik in Bahrain geschuldet war und sich nicht überall so oder so ähnlich darstellen wird. George Russell von Mercedes wettet aber: „Red Bull gewinnt 2023 jedes Rennen.“ Das hat er ernsthaft so gesagt. Es schwingt also bereits nach dem ersten Rennwochenende eine Menge Resignation bei der Konkurrenz mit.
Grün ist die Farbe der Hoffnung
So ganz konnte Max Verstappen die aufkeimende Hoffnung dann doch nicht in Grund und Boden fahren. Das Aston-Martin-Team um Fernando Alonso sah bei den Testfahrten ebenfalls sehr stark aus und je nach dem wen man gefragt hat, rangierte die Prognose irgendwo zwischen Platz zwei, direkt hinter Red Bull oder Rang vier, quasi best of the rest. Und auch Alonso und der wundersam genesene Lance Stroll konnten die hervorragenden Eindrücke der Tests bestätigen und in Bahrain ein hervorragendes Ergebnis einfahren. Dabei hätte alles auch sehr schnell vorbei sein können. Alonso kam am Start schlecht weg und verlor einen Platz gegen Lewis Hamilton. In der gleichen Kurve verbremste sich dahinter sein Teamkollege und rauschte Alonso ins Heck. Glücklicherweise ist nichts weiter passiert, beide Autos blieben heil. Lediglich ein weiterer Platz ging verloren: Russell konnte ebenfalls an Alonso vorbeziehen.
„Nächstes Jahr werden wir mit Sicherheit nicht sehr viel Windkanalzeit bekommen.“
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Ab dann zeigte Alonso aber seine ganze Klasse. Im Verlauf des Rennens überholte er auf der Strecke bisweilen spektakulär beide Mercedes und den Ferrari von Sainz und schaffte am Ende tatsächlich die Sensation: Platz drei hinter den dominanten Red Bull. Auch Stroll, der – etwas überraschend – das gesamte Rennwochenende bestreiten konnte, zeigte eine gute Leistung und holte den sechsten Rang. Insgesamt ein Traumeinstand für Aston Martin. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sie diese Leistung in den kommenden Rennen bestätigen können. Es wäre im Sinne der Abwechslung aber toll, wenn die Farbe Grün in Zukunft öfter vorne auftaucht. Fernando Alonso hat auf jeden Fall Blut geleckt und war nach dem Rennen schon zu großen Sprüchen aufgelegt. Von Nico Rosberg darauf angesprochen, dass sein Team ja gemäß der Regeln mehr Windkanalzeit zur Verfügung hat, um das Auto zu entwickeln, bemerkte der Spanier nur grinsend: „Nächstes Jahr werden wir mit Sicherheit nicht sehr viel Windkanalzeit bekommen.“ Was natürlich dem Reglement entsprechend bedeutet: Aston Martin wird am Ende des Jahres sehr weit vorne landen! Die Hoffnung und der Hype sind real!
Was machen Schwarz und Rot?
Schwarz und Rot sind nur zufälligerweise die Vereinsfarben unseres regionalen Fußballclubs, des 1. FC Nürnberg. Und ähnlich blass wie der gute alte „Glubb“ seit Jahren, präsentierten sich in Bahrain auch die entsprechend gefärbten Teams in der Formel 1. Die roten Ferrari waren nach einem soliden Quali mit P3 für Leclerc und P4 für Sainz durchaus guter Dinge. Im Rennen wurde dann aber schnell deutlich, dass die Roten gegen die roten Bullen keinen Stich machen würden. Zu groß war der Zeitunterschied pro Runde, zu schnell verbrannten die Ferrari ihre Reifen. Zu allem Übel musste bei Charles Leclerc bereits vor dem Rennen ein neuer Energiespeicher und eine neue Kontrollelektronik montiert werden. Teile, die man in der Saison nur ein mal straffrei wechseln darf. Leclerc ist also bereits am Limit und wird beim nächsten Tausch einer dieser Komponenten eine Strafe in Kauf nehmen müssen. Und damit nicht genug: Im Rennen verabschiedete sich dann das Ferrari-Aggregat und der Monegasse rollte frustriert und ohne Leistung aus. Ohne das Problem wäre Leclerc wohl im Niemandsland zwischen den Red Bull und Alonso locker auf Platz drei gelandet. Hätte, wäre, wenn… kein guter Start für Ferrari.
Aber auch die schwarz lackierten Mercedes hatten nicht wahnsinnig viel zu lachen. Bereits im Verlauf des Wochenendes sickerten Aussagen von Toto Wolff an die Presse, die eine Abkehr von den winzigen Seitenkästen andeuteten, die in der Form nur Mercedes verbaut hat. Das Konzept sei womöglich niemals im Stande genug Leistung und Abtrieb zu generieren sagte Wolff grimmig und kündigte an, dass wohl bereits Alternativen entwickelt werden, die mit dem ersten großen Update ans Auto kommen sollen. Das tut auch wirklich Not. Im Ziel fehlten Lewis Hamilton, der auf Rang fünf landete, mehr als 50 Sekunden auf Sieger Verstappen. Der hatte aber vermutlich das halbe Rennen im Schongang zurückgelegt und fuhr gemütlich vorne weg. Konkret bedeutet das: im Renntrimm ist der Rückstand von Mercedes deutlich größer als die eine Sekunde pro Runde, die sie in Bahrain aufgebrummt bekommen haben. Es gibt also eine ganze Menge zu tun für die Mannschaft um Lewis Hamilton. Wie befürchtet, scheint Ferrari von der puren Geschwindigkeit vor Mercedes zu liegen und spätestens in der Rennabstimmung dann auch der Aston Martin.
Bunt gemischte Top 10
Auf den Rängen acht, neun und zehn tummelten sich in Bahrain am Ende Piloten, die man da nicht unbedingt erwartet hätte. Valtteri Bottas fuhr ein unauffälliges Rennen, hielt sich aus allen Scharmützeln raus und konnte die solide Form seines Alfa Romeo in Rang acht und vier wertvolle Pünktchen ummünzen. Starke Leistung des Finnen. Untermauert wurde der gute Grundspeed des Teams, das viele nach wie vor gerne als Sauber bezeichnen, von der Tatsache, dass Zhou Guanyu in der letzten Runde des Rennens die schnellste Runde zurücklegte. Da er außerhalb der Top 10 lag (auf Rang 16 nämlich), gab es dafür zwar keinen extra Punkt, aber es ist ein Hinweis darauf, dass der Alfa grundsätzlich ein schnelles Auto zu sein scheint.
Nicht minder großartig war die Leistung von Pierre Gasly, der am Ende Platz neun belegte. Der neue Pilot im Alpine-Cockpit hatte einen aufregenden Sonntag, musste er sich doch vom allerletzten Platz nach vorne kämpfen. Ihm wurde am Samstag seine schnellste Zeit in Q1 aberkannt, weil er dabei die Streckenbegrenzungen überfahren hat. Zugegebenermaßen wäre die Zeit ohnehin kaum gut genug gewesen, um ins Q2 einzuziehen. Aber Gasly holte immerhin zwei Punkte nach einem guten Auftritt im Rennen. Ganz im Gegensatz zu seinem Teamkollegen übrigens, aber dazu kommen wir gleich noch.
Der letzte im Bunde der positiven Überraschungen in den Top 10 war Alex Albon. Grundsätzlich waren die Williams erfreulich weit vorne unterwegs, die hatten wir und viele Experten eher am Ende des Feldes gesehen. Bereits in der Qualifikation am Samstag waren beide Piloten verhältnismäßig ordentlich unterwegs. Albon auf P15, Sargeant nur einen Platz dahinter. Im Rennen wurde dann Platz zehn für Albon draus und ein Punkt. Rookie Logan Sargeant erreichte mit Platz 12 ebenfalls ein starkes Ergebnis in seinem ersten Formel-1-Rennen. Darauf lässt sich aufbauen und vielleicht ist der Williams wirklich besser als erwartet.
Papaya-Pech
Eine Mannschaft kam noch gar nicht zur Sprache: McLaren. Die in Papaya-Orange lackierten Renner aus Woking blieben letzte Saison eine Menge schuldig und auch in der Vorbereitung auf 2023 sahen die Rennwagen alles andere als schnell und zuverlässig aus. Wie tiefgreifend die Probleme sind und welche düsteren Prognosen (nicht nur) wir zur Zukunft von McLaren haben, könnt ihr übrigens auch in unserem Podcast hören. Dort besprechen wir neben zwei Thesen, die McLaren betreffen auch neun weitere mehr oder weniger gewagte Vorhersagen zur Saison 2023. Reinhören lohnt sich:
Wie lief es denn nun in Bahrain für McLaren? Nunja… am Samstag konnte Lando Norris die Ehre halbwegs retten und stellte seinen Wagen in der Qualifikation auf Rang elf. Neuling Oscar Piastri schaffte es nicht aus Q1 heraus und startete von Rang 18 in seinen ersten Grand Prix. In diesem war dann bereits beim ersten Boxenstopp in Runde 13 Schluss für den jungen Australier. Probleme mit der Elektronik legten seinen Boliden lahm. Auch ein Lenkradtausch konnte nichts retten. Game over.
Lando Norris hatte hingegen von Beginn an mit einem Leck in der Pneumatik zu kämpfen und musste rund alle 10 Runden an die Box um Flüssigkeit in das System gefüllt zu bekommen und einem Getriebe-Defekt vorzubeugen. Mit den fünf Stopps, die es am Ende wurden, ist natürlich kein Blumentopf zu gewinnen. Dennoch zeigte sich das Team halbwegs optimistisch. Man war näher an der Musik als befürchtet und das Tempo im Rennen macht Hoffnung.
Slapstick in Pink
Um es farblich abzurunden kommen wir nochmal zurück zu Alpine und Esteban Ocon. Am Samstag war der Franzose noch gut unterwegs und stellte seinen Alpine auf Position neun. Ganz so schlecht scheint das Tempo des Alpine also grundsätzlich nicht zu sein. Was aber am Sonntag im Rennen folgte, war dann rekordverdächtig: Die meisten Strafen für einen Fahrer in einem Rennen seit langer Zeit. Ohne jetzt nachzuschauen wette ich, dass der letzte Fahrer, der Ähnliches vollbracht hat, ein gewisser Pastor Maldonado gewesen sein muss.
Okay, ich habe recherchiert und natürlich war es Pastor Maldonado beim Ungarn-GP 2015, der zuletzt drei Strafen in einem Rennen kassiert hatte… lol!
Also, drei Strafen. Wie kam es dazu? Direkt beim Start leistete sich Ocon den ersten Lapsus. Er parkte seinen Alpine nicht präzise innerhalb seiner Startbox, sondern leicht daneben, so dass ein Reifen und der Frontflügel seitlich herausragten. Das ist nicht erlaubt und somit wurde Esteban Ocon mit einer 5-Sekunden-Zeitstrafe belegt. Abzuleisten beim nächsten Boxenstopp. So weit, so harmlos. In der Zeit vor seinem ersten Stopp schaffte es Ocon allerdings, sich in einem Duell mit Magnussen seinen Frontflügel leicht zu beschädigen. Dieser sollte an der Box dann auch noch gewechselt werden. Die Regeln sind klar: hat ein Fahrer eine Zeitstrafe abzusitzen, wird diese ab dem Zeitpunkt gemessen, an dem sein Fahrzeug an der Box zum Stillstand kommt. In diesem Fall durften die Mechaniker also frühestens fünf Sekunden nach dem Stillstand Hand anlegen. Die Teams messen die Zeit selbst, aber die FIA überprüft im Nachhinein natürlich, ob alle Regeln korrekt befolgt wurden. In diesem Fall war ein Mechaniker 0.4 Sekunden zu früh in Kontakt mit dem Auto. Klare Sache: wieder eine Strafe.
Weil das Team also die 5-Sekunden-Strafe nicht ordnungsgemäß abgesessen hat, wurde sie in eine 10-Sekunden-Strafe umgewandelt. Gleiches Prozedere: Beim nächsten Boxenstopp müssen erst 10 Sekunden verstreichen, bis das Team Reifen wechseln kann usw. Aber damit nicht genug! Beim Verlassen der Box nach diesem missglückten Stopp war Esteban Ocon auch noch zu schnell. Minimal, aber drüber ist drüber. Sage und schreibe 0,1 km/h über dem erlaubten Limit reichten den Rennkommissaren, um eine weitere Strafe von fünf Sekunden zu verhängen. Daraus resultierte dann ein zweiter Stopp in Runde 32, bei dem Esteban Ocon insgesamt 15 Sekunden warten musste, bis seine Crew ihm frische Reifen aufschnallen durfte. In Runde 41 hatte man dann ein Einsehen und nahm den Franzosen aus dem Rennen. „Um die Motoren zu schonen und weiteren Schaden zu vermeiden.“ hieß es aus dem Team. Und augenzwinkernd fügte man hinzu: „Und um weitere Strafen zu vermeiden.“ Hoffen wir, dass Ocon in Dschidda ein besseres Rennen erwartet. Und uns alle bitte auch! In diesem Sinne: Ahoj und bis in zwei Wochen aus Saudi Arabien!
Fazit
FazitTOP:
- Red Bull in bestechender Frühform. George Russell wettet, dass die Bullen jedes Rennen 2023 gewinnen, wenn sie so weiter machen. Diese Befürchtung kann man haben, so dominant war die Leistung in Bahrain.
- Fernando Alonso beflügelt die Hoffnungen auf etwas Abwechslung an der Spitze und fährt ein herausragendes Rennen. Auch der lädierte Lance Stroll machte seine Sache prima.
- Williams trat deutlich stärker auf als man das nach den Tests noch gedacht hatte. Auch Pierre Gasly im Alpine und die Alfa Romeo haben sich im ersten Saisonrennen hervorragend verkauft.
FLOP:
- Wenn Red Bull auf jeder Strecke ähnlich leistungsstark auftritt, dann ist die Saison noch vor der Sommerpause entschieden. Hoffen wir darauf, dass die übrigen Teams schnell aufholen. Im Sinne der Spannung!
- McLaren unterirdisch: Im Quali konnte Lando Norris durch seine individuelle Klasse den Schaden noch in Grenzen halten. Im Rennen konnte er mit einem Hydraulikdefekt nichts reißen. Piastri schaffte es nur bis zum ersten Boxenstopp, dann gab sein Bolide den Geist auf.
- Ferrari startet mit einem Ausfall und einem vierten Platz in die Saison. Dazu wurden am Motor von Leclerc bereits Teile getauscht. Das sieht nicht gut aus. Mercedes hat im Rennen rund eine Sekunde pro Runde auf die Red Bull verloren, die es vorne gemächlich angehen ließen. Autsch!